Frevel: Roman (German Edition)
um den Ring zu stehlen, während der Schönling Courcelles Cecily verführt und ihr die nötigen Mittel zur Ausführung des Mordanschlags zur Verfügung gestellt hat. Dann verlor Cecily aus irgendeinem Grund die Nerven und musste zum Schweigen gebracht werden. Womöglich waren die Zeichen, die auf eine katholische Bedrohung hindeuten, ja dazu bestimmt, die Aufmerksamkeit des Hofes auf die bekannten englischen katholischen Sympathisanten in seinen Reihen zu lenken. Wie dem auch sei, das einzige Element, das in dieser Gleichung noch fehlt, ist die Frage, wer die Morde denn tatsächlich ausgeführt hat. Ich bezweifle nicht, dass Marie skrupellos genug wäre, um ein Leben auszulöschen, allerdings mangelt es ihr an der nötigen Körperkraft; außerdem würde sie einen Mord von irgendeinem Untergebenen begehen lassen. Courcelles kam mir dagegen schon immer wie ein Mann vor, der in Ohnmacht fallen würde, sollte er sich aus Versehen mit seinem Essensmesser in den Finger schneiden, aber vielleicht verstellt er sich besser, als ich es ihm zugetraut habe. Doch selbst wenn das zuträfe – sowohl Marie wie auch Courcelles standen bei dem Konzert neben mir, als Abigail Morley ermordet wurde. Wer war dann ihr Komplize, der dritte Mann?
Entschlossen greife ich nach meinem Wams. Ich werde nicht hier in dieser Kammer ausharren und darauf warten, dass mich Howards gedungene Mörder aufspüren. Gerade ziehe ich einen Umhang über mein Wams, da fällt mir ein, dass ich meine ledernen Reitstiefel in Arundel House zurückgelassen habe, also werde ich die für besseres Wetter bestimmten Schuhe tragen müssen, obwohl der Regen die Straßen inzwischen in Schlamm verwandelt haben dürfte. Bevor ich gehe, hebe ich die lose Bodendiele unter meinem Bett an, unter der ich die kleine Truhe mit dem Geld verwahre, das ich von Walsingham bekomme. Es ist kein Vermögen – schon gar nicht im Vergleich zu den Risiken, die ich für ihn eingehe –, aber es erlaubt mir, hier in London einen Lebensstandard zu pflegen, den ich mir nicht hätte leisten können, wenn ich nur auf König Henris spärliche Zuwendungen angewiesen wäre. Ich werde mir neue Stiefel machen lassen müssen – ohne Stiefel kann man den Londoner Winter nicht überstehen, wie man mir sagte. Vielleicht kann ich Fowler überreden, mich zu begleiten. Auf jeden Fall werde ich meinen Dolch aus Castelnaus Arbeitszimmer holen, bevor ich mich in die Straßen der Stadt hinauswage – mein Glück dort zu suchen ist zumindest besser, als mich in meiner Kammer mit endlosen Theorien herumzuschlagen, die ich weder beweisen noch widerlegen kann.
Nur der Mundschenk des Botschafters sieht mich zur Vordertür hinausschlüpfen, meinen Kopf umhüllt mit dem hochgezogenen Umhang. Wenn er will, kann er ja Marie und Courcelles erzählen, dass ich das Haus verlassen habe. Ich habe beschlossen, mich auf den Hauptstraßen und in der Nähe von Menschen zu halten, dann ist das Risiko geringer, so zu enden wie Dumas. Andererseits ist es einfacher, einem Mann ein Messer zwischen die Rippen zu stoßen und danach in einer Menge unterzutauchen. Ich schiebe den Dolch in meinen Gürtel und halte eine Hand auf den Griff gelegt, während mein Blick über beide Seiten der Straße hinwegwandert.
Bei der Fleet Bridge höre ich Schritte hinter mir und wirbele so schnell herum, dass einem etwaigen Verfolger keine Zeit bleibt, sich entweder zu verstecken oder zuzuschlagen, aber ich sehe nur einen mageren Jungen, der erstarrt und mich nervös anglotzt. Sein Blick flattert zu meiner Hand unterhalb meines Umhangs, und ich erkenne ihn wieder – es ist der Küchenjunge Jem aus Whitehall, der Abigail Morley die verhängnisvolle Botschaft überbrachte, die sie in den Tod lockte. Ich lasse den Dolch los, trete auf ihn zu und versuche, eine etwas weniger abweisende Miene aufzusetzen. Der Junge zieht ein Stück Papier aus seiner Jacke.
»Jem? Wie lange folgst du mir schon?«
»Seit Salisbury Court, Sir. Sie hat mir befohlen, draußen zu warten und Euch abzufangen, wenn Ihr herauskommt. Sie hat gesagt, ich solle darauf achten, dass mich niemand sieht.«
»Sie? Wen meinst du damit?«
»Ich soll Euch das hier geben, Sir.« Er hält mir das Papier hin.
Ich betrachte das Siegel, doch es sagt mir nichts. Rasch reiße ich den Brief auf und stelle überrascht fest, dass er von Lady Seaton stammt, der Kammerfrau der Königin. Sie besucht Freunde in Crosby Hall in der Bishopsgate Street und hat mir etwas mitzuteilen. Ich soll am
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