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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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geschehen?«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Ich wollte Euch nur warnen – der Botschafter ist bereits in sein Arbeitszimmer gegangen, um die Tageskorrespondenz in Angriff zu nehmen. Er war die halbe Nacht auf und hat die Briefe von Maria Stuart gelesen, die Monsieur Throckmorton aus Sheffield Castle mitgebracht hat, und jetzt ist er dabei, sie zu beantworten. Er möchte, dass sie heute noch vor Einbruch der Dunkelheit in Throckmortons Haus am Paul’s Wharf abgegeben werden – anscheinend soll Throckmorton morgen beim ersten Tageslicht nach Sheffield zurückreiten.«
    »Gut. Also erwartet Throckmorton Euch irgendwann an diesem Abend?«
    »Ich denke schon. Castelnau wird den Morgen damit verbringen, seine Briefe zu schreiben und zu verschlüsseln, und ich muss ihm dabei helfen. Dann wird er mich allein lassen, damit ich sie ins Reine schreiben kann, während er und der Rest des Haushalts beim Essen sitzen, und wenn er seine Mahlzeit beendet hat, wird er sich die Abschriften ansehen und sie versiegeln, und dann wird er mich losschicken.«
    »Hm …« Ich gehe in Gedanken den Zeitplan durch. »Wir müssen schnell zu Werke gehen. Habt Ihr die Briefe von Königin Maria gesehen?«
    Er schüttelt den Kopf; eine nervöse, zuckende Bewegung.
    »Lest sie, während er fort ist, Léon. Wenn Ihr keine Zeit habt, eine Kopie anzufertigen, prägt Euch den Inhalt ein, so gut Ihr könnt. Aber es kann sein, dass sie ihm einen neuen Code geschickt hat – sie ändern ihn oft, weil sie fürchten, die Briefe könnten abgefangen werden. Ist das der Fall, müssen wir den Code kopieren.«
    Dumas schluckt hart und nickt. Er sitzt auf seinen Händen.
    »Und wenn ich keine Zeit habe, zwei Kopien anzufertigen, bevor er sie versiegeln will …«
    Zum Überlegen schreite ich kurz im Raum auf und ab.
    »In diesem Fall müssen wir auf dem Weg zu Master Throckmorton unserem Freund Thomas Phelippes einen Besuch abstatten. Keine Sorge, Léon – Phelippes ist ein Meister seines Fachs. Niemand wird bemerken, dass er sich an den Briefen zu schaffen gemacht hat.«
    Dumas verzieht kummervoll das Gesicht und rutscht auf seinen Händen herum.
    »Aber was, wenn wir ertappt werden, Bruno?«
    »Dann werden wir beide auf die Straße gesetzt«, erwidere ich ernst. »Wir werden gezwungen sein, uns einer fahrenden Schaustellertruppe anzuschließen. Wir könnten anbieten, bei der Ankunft Christi in Jerusalem am Palmsonntag den Esel zu spielen.«
    »Bruno …«
    »Oh – ich weiß, was Ihr sagen wollt. Nun gut, von mir aus könnt Ihr die Rolle der Vorderbeine übernehmen.«
    »Müsst Ihr alles ins Lächerliche ziehen?«
    Doch trotz der Rüge lächelt er, während ich an Howards boshafte Beleidigung vom letzten Abend denken muss. Ein begnadeter Hofnarr . Hat man in Paris wirklich so von mir gesprochen? Königin Elisabeth hält sich einen italienischen Narren am Hof, der auf den Namen Monarcho hört; muss ich mich tatsächlich mit ihm vergleichen lassen? Der Stachel schmerzt in meinem Fleisch, weil ich die Augen nicht vor der Wahrheit verschließen kann: Ohne Geld, Land und Titel muss ich mich wohlhabenden Männern unentbehrlich machen, wenn ich es zu etwas bringen will, und ich habe viel Lehrgeld dafür zahlen müssen zu erkennen, dass die meisten dieser Männer lieber unterhalten als erleuchtet werden wollen. Aber darf ich nicht hoffen, beides vereinen zu können? Genau das will ich in dem Buch darlegen, das ich gerade schreibe und das meine neuen Theorien bezüglich des Universums so erklären soll, dass es auch außerhalb der Universitäten von gewöhnlichen Männern und Frauen in einer ihnen verständlichen Sprache gelesen werden kann.
    Ich setze mich neben Dumas auf das Bett und lege ihm einen Arm um die Schultern, um ihn etwas aufzumuntern.
    » Courage, mon brave. Denkt an die Münzen, die bald in Eurer Börse klimpern werden. Ihr könnt über den Fluss nach Southwark fahren und Euch in einem der Freudenhäuser ein williges Mädchen suchen. Das wird ein Lächeln auf Euer Gesicht zaubern. Außerdem …«, ich drehe mich seufzend zum Fenster, wo fahles Licht durch die Ritzen der Läden fällt und über den Boden kriecht, »… weiß ich noch gar nicht, in was wir hier hineingeraten sind, Léon, aber wenn wir Vorsicht walten lassen und unsere Sache gut machen, könnten uns am Ende viele Menschen ihr Leben verdanken. Unter anderem …«, füge ich flüsternd hinzu, als dem jungen Sekretär die Augen aus den Höhlen zu quellen drohen, »… die englische Königin

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