Frevel: Roman (German Edition)
und seinerseits von einem ungefähr fünfjährigen Mädchen verfolgt wird, das durch die Blätterhaufen stürmt. Ihr Haar und ihr blaues Gewand wehen hinter ihr her. Der Ball rollt mir vor die Füße, und ich greife danach, bevor der Hund ihn schnappen kann, und halte ihn in die Höhe, woraufhin das Tier hechelnd an mir hochspringt, ohne den Blick von meiner Hand zu wenden. Das Mädchen bleibt vor mir stehen und mustert mich misstrauisch; ich werfe ihr den Lumpenball über den Kopf des Hundes hinweg zu, und die Kleine ist so überrascht, dass sie ihn eher zufällig als absichtlich auffängt. Der Hund stürzt jetzt zu ihr, sie nimmt ihn auf den Arm und gibt ihm den Ball, den er mit einem leisen Knurren schüttelt, als habe er eine Beute erlegt.
» Pierrot, tu es méchant!« , schilt das Kind.
»Pierrot?« Ich bücke mich, sodass ich ihr in die Augen sehen kann. »Er ist ein Junge?«
Sie nickt heftig. »Und warum trägt er diese Bänder?«, frage ich weiter.
»Er mag sie.« Sie zuckt die Achseln, als verstehe sich das von selbst. Hinter der Mauer ertönt eine Frauenstimme.
» Katherine! Katherine, viens ici! Où es-tu? «
Marie de Castelnau erscheint in dem Bogengang, der diesen Teil des Gartens von den gepflegteren Pfaden in der Nähe des Hauses trennt. Das Licht fällt auf ihr Haar, als sie sich eine lose Strähne aus dem Gesicht streicht. Sie runzelt die Stirn, aber als sie den Blick auf mich und ihre kleine Tochter richtet, werden ihre Züge weich, und sie kommt langsam auf uns zu.
» Ah, Monsieur l’hérétique. Bonjour.«
»Madame.«
Ich verneige mich höflich.
Sie beugt sich zu dem Kind hinunter und legt ihm eine Hand auf die Schulter.
»Katherine, bring Pierrot ins Haus. Sieh einmal – deine Schuhe sind ganz schmutzig, und es ist gleich Zeit für deinen Unterricht. Du kannst danach im Garten spielen, wenn du fleißig gelernt hast.«
Katherine schiebt die Unterlippe vor.
»Ich will meinen Unterricht hier draußen bekommen.« Sie zeigt auf mein Buch. »Monsieur l’hérétique darf seine Bücher auch mit in den Garten nehmen.«
»Nun, Monsieur l’hérétique darf vieles tun, was sich nicht schickt, und du solltest dir an ihm besser kein Beispiel nehmen. Er ist ein schlimmer Mensch.« Sie zwinkert mir zu.
Das Kind blickt mit offenem Mund zu mir auf, wartet auf eine Bestätigung oder einen Widerspruch. Ich nicke bedächtig.
»Ich fürchte, deine Mutter hat Recht.«
Katherine kichert entzückt.
»Und jetzt ab mit dir«, sagt Marie diesmal etwas schärfer und gibt dem Mädchen auf den Rücken einen leichten Klaps. Katherine hüpft davon, der Hund folgt ihr kläffend.
»Es tut mir leid – meine Tochter glaubt jetzt, das wäre Euer Name.« Castelnaus Frau lacht und hält sich mit vor der Brust verschränkten Armen an meiner Seite, als wir langsam zum Haus zurückgehen. »So nennt König Henri Euch. Es ist liebevoll gemeint. Was ihn anbelangt, meine ich«, fügt sie hastig hinzu und blickt erst zur Seite, dann auf ihre Füße.
»Ihr habt mit König Henri über mich gesprochen?«
Sie lacht erneut, ein sanftes, melodisches Geräusch.
»Nein. Aber Euer Name fiel häufig, wenn ich mit Königin Louise zusammensaß. Ich kenne sie, seit wir junge Mädchen waren. Anscheinend vermisst der König Euch. Er behauptet, in Paris gäbe es keine originellen Denker mehr, seit Monsieur l’hérétique ihn verlassen hat und nach London gegangen ist.«
»Sehr freundlich von ihm, das zu sagen.« Wir gehen schweigend weiter. Die Sonne scheint warm auf unsere Gesichter.
»Ich muss gestehen, dass ich von der Aussicht fasziniert war, Euch kennen zu lernen«, fährt sie nach einer Weile fort. In ihrer seidenweichen Stimme schwingt ein eigenartiger Unterton mit. »Königin Louise sagte, Ihr wärt bei den Damen von Paris sehr beliebt gewesen.«
»So?« Das ist mir neu. Sicher, es gab am Pariser Hof ein paar oberflächliche Tändeleien, aber – soweit ich mich entsinne – keine von ihnen war ernst genug gewesen, um die Aufmerksamkeit der Gemahlin des Königs zu erregen. Nach meinen Erfahrungen in Toulouse habe ich mir geschworen, meine Energie auf das Schreiben zu konzentrieren und mein Herz gegen eine mögliche neue Liebe zu verschließen.
»O ja, gewiss.« Marie berührt leicht meinen Arm und lässt ihre Hand einen Moment darauf liegen. »Weil Ihr für alle ein großes Rätsel wart, wie es aussieht. Über Euch waren viele Geschichten im Umlauf, aber niemandem ist es gelungen, die Wahrheit von den Gerüchten zu
Weitere Kostenlose Bücher