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Frevelopfer

Frevelopfer

Titel: Frevelopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Wände in meinem Zimmer«, sagte Petrína. »Genau so. Die Haare haben einem zu Berge gestanden. Es war, als würde man direkt vor dem laufenden Fernseher schlafen. Die Wohnung ist nämlich umgebaut worden, verstehst du. Man hat Holzwände eingezogen, lauter Pressspanplatten, und dahinter liegen die ganzen elektrischen Leitungen.«
    »Was glaubst du eigentlich, wer ich bin?«, fragte Elínborg vorsichtig, während sie den Ärmel zurückstrich.
    »Wer du bist?«, fragte Petrína zurück. »Bist du nicht von den Stadtwerken? Ihr wolltet doch jemanden schicken. Bist du das nicht?«
    »Leider nein«, antwortete Elínborg. »Ich habe nichts mit den Stadtwerken zu tun.«
    »Ihr wolltet doch die Strahlung hier in der Wohnung messen«, sagte Petrína. »Da sollte heute jemand kommen. So kann es einfach nicht weitergehen.«
    »Ich bin von der Kriminalpolizei«, entgegnete Elínborg. »Eine Straße weiter ist ein schweres Verbrechen begangen worden, und soweit ich weiß, hast du hier draußen jemanden beobachtet. Hier vor diesem Haus.«
    »Ich habe heute Morgen mit einem Polizisten gesprochen«, sagte Petrína. »Wieso seid ihr jetzt schon wieder da? Und wo ist der Mensch von den Stadtwerken?«
    »Das weiß ich nicht, aber ich kann dort gerne für dich anrufen, wenn du möchtest.«
    »Es hätte schon längst jemand hier vorbeikommen sollen.«
    »Vielleicht kommt heute Nachmittag jemand. Hast du etwas dagegen, mir noch einmal zu erzählen, was du gesehen hast?«
    »Was ich gesehen habe? Was habe ich gesehen?«
    »Dem Polizisten heute Morgen hast du erzählt, dass du in der Nacht zum Sonntag hier einen Mann gesehen hast. Stimmt das nicht?«
    »Ich habe versucht, jemanden hierherzubekommen, damit sie die Wände inspizieren, aber auf mich hört ja keiner.«
    »Hast du deine Vorhänge immer zugezogen?«
    »Natürlich«, sagte Petrína und kratzte sich am Kopf.
    Elínborgs Augen hatten sich an die Dunkelheit in der Wohnung gewöhnt, und jetzt sah sie, was für ein Durcheinander dort herrschte: alte Möbel, gerahmte Bilder an den Wänden und Familienfotos in Standrahmen. Auf einem Tisch befanden sich nur Bilder mit jungen Leuten und Kindern, und Elínborg vermutete, dass es die jüngsten Nachkommen oder Verwandten von Petrína waren. Überall quollen Aschenbecher von Zigaretten über, und Elínborg bemerkte etliche Brandlöcher in dem hellen Teppichboden. Petrína nahm den letzten Zug an ihrer Zigarette und drückte sie dann im Aschenbecher aus. Elínborg blickte auf ein großes Brandloch im Teppich und tippte darauf, dass der alten Frau eine Zigarette aus der Hand gefallen war. Sie überlegte, ob sie sich mit dem Sozialamt in Verbindung setzen sollte. Petrína war vermutlich eine Gefahr für sich und andere.
    »Wenn du immer die Vorhänge zugezogen hast, wie kannst du dann hinunter auf die Straße sehen?«, fragte Elínborg.
    »Na, hör mal, ich zieh sie einfach auf«, erklärte Petrína und sah Elínborg an, als hätte sie nicht alle Tassen im Schrank. »Was hast du gesagt, was du hier willst?«
    »Ich bin von der Kriminalpolizei«, wiederholte Elínborg. »Ich würde dich gern nach dem Mann fragen, den du in der Nacht zum Samstag hier vor dem Haus gesehen hast. Erinnerst du dich daran?«
    »Wegen dieser Strahlung kann ich kaum schlafen, verstehst du. Deswegen geistere ich herum und warte auf die. Siehst du meine Augen? Siehst du die?«
    Petrína streckte den Kopf vor, um Elínborg ihre geröteten Augen zu zeigen.
    »Das kommt von diesen Strahlen, so wirken die sich auf die Augen aus. Verfluchte Strahlen. Und außerdem habe ich ständig Kopfschmerzen.«
    »Liegt das nicht eher an den Zigaretten?«, entgegnete Elínborg höflich.
    »Also, ich hab hier am Fenster gesessen und auf die gewartet«, sagte Petrína, ohne auf Elínborgs Bemerkung einzugehen. »Ich hab da gesessen und die ganze Nacht gewartet und den ganzen Sonntag, und ich warte immer noch.«
    »Auf was?«
    »Auf die Leute von den Stadtwerken natürlich. Ich dachte, du wärst von denen.«
    »Also, du hast hier am Fenster gesessen und auf die Straße geblickt. Hast du wirklich gedacht, die kommen in der Nacht?«
    »Ich habe keine Ahnung, wann die kommen. Und dann hab ich diesen Mann gesehen, von dem ich euch heute Morgen erzählt habe. Ich dachte, dass der vielleicht von den Stadtwerken wäre, aber er ging am Haus vorbei. Ich hatte schon überlegt, ihn zurückzurufen.«
    »Hast du den Mann schon früher einmal hier in der Straße gesehen?«
    »Nein, nie.«
    »Könntest du

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