Frevelopfer
du genau das tust. Dass du kooperativ bist, auch wenn du mich hier abzuservieren versuchst. Ein Freund von mir im Rauschgiftdezernat hat mir nämlich gesagt, dass du ihnen das ein oder andere über deine Kumpel zusteckst. Er hat mir auch gesagt, dass du weniger Ärger machen würdest, wenn ich dir das sage. Ich kann ihn auch dazuholen, und dann fahren wir zu dritt los, aber ich möchte ihn nur stören, wenn es unbedingt erforderlich ist. Er hat genau wie du Familie.«
Valur überlegte. »Was soll ich machen?«, fragte er dann.
Sie wartete im Auto auf ihn, und als er endlich zugestiegen war, fuhr sie mit ihm zu dem kleinen Hinterhaus in der Nähe der Vesturgata, wo Eðvarð wohnte. Auf dem Weg dorthin erklärte sie Valur, um was es ging. Es war ganz einfach, von ihm wurde nichts anderes verlangt, als die Wahrheit zu sagen. Elínborg wollte Eðvarð nicht ins Hauptdezernat bringen, um ihn dort von Valur als den Mann identifizieren zu lassen, der Rohypnol von ihm gekauft hatte. Ihr war daran gelegen, Eðvarð nicht nervös zu machen oder zu alarmieren, zu diesem Zeitpunkt zumindest noch nicht. Sie brauchte aber eine Bestätigung, dass er bei Valur gewesen war. Sie hatte sich eingehend mit einem Bekannten im Rauschgiftdezernat unterhalten, und der hatte schießlich zugegeben, dass das Dezernat und Valur manchmal gemeinsame Interessen verfolgten. Beide wollten die Zahl der Dealer auf den Straßen der Stadt verringern, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen. Elínborgs Bekannter stritt aber hartnäckig ab, dass Valur im Schutz des Rauschgiftdezernats ungestört seiner Beschäftigung nachgehen konnte. So etwas käme nie infrage, sagte er.
»Ihr wisst aber, dass er Vergewaltigungsdrogen unter die Leute bringt«, sagte Elínborg.
»Das ist neu für mich«, war die Antwort.
»Nun tu doch nicht so. Ihr wisst bestimmt alles über diesen Mann.«
»Er hat aufgehört zu dealen, das wissen wir. Er hat aber immer noch wichtige Kontakte zur Drogenszene. Das sind Dinge, die wir abwägen müssen. In diesem Job gibt es keine einfachen Methoden, das müsstest du doch genauso gut wissen.«
Sie parkte das Auto nicht weit von Eðvarðs Haus und stellte den Motor ab. Valur saß auf dem Beifahrersitz.
»Bist du schon einmal hier gewesen?«
»Nein«, erklärte Valur. »Können wir das vielleicht jetzt endlich über die Bühne bringen?«
»Der Mann, der sich als Runólfur ausgegeben hat, wohnt hier. Du musst mir bestätigen, ob wir beide über denselben Mann reden. Es müsste doch ein Leichtes für dich sein, ihn zu identifizieren.«
»Können wir uns dann wieder vom Acker machen?«
Elínborg ging zum Haus und klopfte an die Tür. Durch die dünnen Gardinen sah man den bläulichen Widerschein des Fernsehers. Die Gardinen waren Elínborg schon bei ihrem ersten Besuch mit Sigurður Óli aufgefallen. Sie waren irgendwann einmal weiß gewesen, doch jetzt starrten sie vor Dreck. Sie klopfte ein weiteres Mal, diesmal fester, und wartete geduldig. Eðvarðs Klapperkiste stand wie beim ersten Mal vor dem Haus.
Endlich öffnete Eðvarð die Tür.
»Ich bin’s noch mal«, sagte Elínborg. »Entschuldige bitte die Störung, mir ist das ein bisschen peinlich. Kann es sein, dass ich hier gestern meine Tasche vergessen habe? So einen braunen Lederbeutel?«
»Deine Tasche?«, fragte Eðvarð verwundert.
»Entweder habe ich sie verloren, oder sie ist mir gestohlen worden. Ich verstehe das einfach nicht. Ich hab mich schon überall erkundigt, meine letzte Hoffnung ist, dass ich sie bei dir vergessen habe. Du hast sie nicht gefunden?«
»Leider nein«, sagte Eðvarð. »Sie ist nicht hier.«
»Ganz sicher?«
»Ja. Deine Tasche ist nicht hier.«
»Könntest du … Könntest du vielleicht noch einmal nachsehen? Ich warte so lange hier.«
Eðvarð sah sie eine Weile an.
»Das brauche ich nicht. Sie ist nicht hier. Sonst noch was?«
»Nein«, sagte Elínborg niedergeschlagen. »Entschuldige die Störung. Es war nicht viel Geld drin, aber ich muss jetzt die ganzen Karten und den Führerschein erneuern und …«
»Ja, aber leider …«, sagte Eðvarð.
»Vielen Dank.«
»Wiedersehen.«
Valur wartete im Auto auf sie.
»Glaubst du, dass er dich gesehen hat?«, fragte Elínborg, nachdem sie den Motor angelassen und losgefahren war.
»Nein, er hat mich nicht gesehen.«
»War er es?«
»Ja, das ist der Mann.«
»Der Mann, der sich Runólfur nannte und dir Rohypnol abgekauft hat?«
»Ja.«
»Du sagst, dass er nur ein einziges Mal
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