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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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unserer Bestimmung, dann läßt uns der Hundekadaver im Stich und wir klappen zusammen! Die welkende Materie ist die einzige Logik im Sein! Faulen ist die Losung aller Dinge!
    O, Friedemann, hättest du deinem Vater gefolgt, als er in Leipzig sagte: ›Heirate! Wem die Kunst das Leben ist, dem ist das Leben eine große Kunst!‹ -- Ich stehe hier an der Schwelle des Grabes und muß mir sagen, daß ich das Leben nicht verstand! Und, zum Teufel, auch die Kunst hab' ich nicht verstanden! Da hat's mein verstorbener Bruder Christian besser gemacht, der Herr Italiener! Hat für die Frauenzimmer geduldet und ist ein großes Tier geworden! Ja, ja! wer die Schürzen für sich hat, der sitzt warm!
    Und doch, so arm und alt ich bin, Ehre meinen Lumpen! In meinen Händen ist, wie in denen meines Vaters, die Göttlichkeit der Musik nie besudelt worden! ... ›Lasus und Lydie‹ ... Ja, gewiß! Es liegt etwas von der alten Hoheit meines Namens in dieser Arbeit, ein Menschheits-, ein Gottesgedanke liegt in ihr! ... O, nur zu spät! jetzt ist's zu spät!«
    Gebrochen war er auf dem Sofa zusammengesunken, und so fand ihn Plümicke noch, als er vom Theater zurückkam. »Bach!« rief er ihm zu, ohne dessen schlimmes Befinden nur im geringsten zu beachten, »sehen Sie mir an, was heute mit mir los ist?«
    »Was soll schon los sein? Ein Glas Wein haben Sie getrunken, das ist alles!«
    »Ja, Wein habe ich getrunken, Friedemann! Nicht nur eine Flasche, nein, ein ganzes Faß, ein Meer habe ich ausgezecht! Aber geistigen Wein, lieber Freund, und von jener taumelerregenden Sorte, die den Künstler beseligt fürs ganze Leben!«
    »Das verstehe der Satan!«
    »Friedemann! Herzensfreund, Kunstgenosse! Wollen Sie mir versprechen, nicht böse zu werden über das, was ich aus Liebe zu Ihnen tat?«
    »Na, ja doch! Sagen Sie nur endlich, was los ist!«
    »Ich komme eben von der Generalprobe eines Meisterwerks, das alle, die es hörten, zu maßlosem Jubel begeisterte. Morgen abend wird es gegeben. Hier haben Sie das Programm -- es kam eben aus der Druckerei -- sehen Sie selbst!«
    Friedemann öffnete, verwundert über das seltsame Gebaren des Dramaturgen, den zusammengefalteten Zettel und las mit halblauter Stimme: »Sonnabend, den 26. Mai 1784. -- Mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung. -- Döbblinsches Theater. -— ›Der Egoismus‹, Lustspiel ... Ja, in drei Teufels Namen, was soll ich damit?«
    »Nur weiter, Bach!«
    »Nach dem dritten Akt: Aus der neuen Oper ›Lasus und Lydie‹ von einem alten Musiker -- Szene aus dem zweiten Akt mit Arie des Lasus und Szene aus dem dritten Akt mit Arie der Lydie. Chor des Volkes, Chor der Furien. Schauplatz der Handlung: Megara in Griechenland.«
    Das Blatt entfiel seiner zitternden Hand, er taumelte, mußte sich an den Verkünder der Glücksbotschaft anklammern. Der Dichter sprach ihm gut und zuversichtlich zu: »Sie kommt heraus! Sehen Sie, sie soll heraus! Und wenn Sie noch so schwach sind, die Freude und Sehnsucht Ihres Alters soll Ihnen der Tod nicht stehlen dürfen!«
    Als der erste Rausch der glückhaften Freude und Überraschung abgeklungen war, hatte Friedemann tausend Fragen an Plümicke: wie diese oder jene Stelle ginge, ob da das Horn, hier die Violine die Oberstimme richtig nähme, wie die Szenen sich im ganzen machten. Und der verfluchte Chor! Ob denn die Furien a tempo einfielen, ob denn ...
    »Nein«, sagte er, als er den Dramaturgen endlich verließ, »zur Aufführung komme ich nicht! Das kann ich nicht! Aber morgen mittag bin ich hier, wie immer.«
    Während der Nacht trat in der Krankheit Friedemanns eine rapide Verschlimmerung ein; er bekam hohes Fieber.
    Und während er sich schmerzzerquält auf seinem elenden Lager wälzte, entdeckte Plümicke seinen Freunden Mendelssohn und Naumann endlich die Vorgänge, die sich in den verschwiegenen Wänden seines Heims seit jenem Rheinweinfrühstück mit dem Kapellmeister zugetragen hatten. Der Philosoph eilte sofort zu Antonie, Naumann rührte in seinem großen Verehrer- und Bekanntenkreise die Werbetrommel und machte sogar dem Grafen Gotter einen Besuch, womit auch die Prinzessin Amalie von dem künstlerischen Ereignis des Abends genauere Kunde erhielt.
    Eine größere und glänzendere Versammlung war denn auch, seit Brockmann den Hamlet gespielt hatte und seit Goethes »Götz von Berlichingen« gegeben wurde, in dem Theater Döbbelins nicht mehr gesehen worden. Mendelssohn, Rode und Naumann saßen zusammen in einer Loge; im Hintergrunde hielt sich

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