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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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Brüdergasse, das Gasthaus »Zum goldenen Ring« lag, von den Studenten nur das »Saufloch« genannt. In den engen, immer tabakverqualmten Wirtsstuben wurde viel und gut gespeist, und auch Friedemann pflegte hier seine Mittagsmahlzeit einzunehmen. Abends und bis spät in die Nacht hinein gaben sich im »Saufloch« die buntbemützten Burschen der Landsmannschaften und die keine Farben tragenden Theologen, die »Schwarzen«, ein lärmendes Stelldichein. Übermütige Lieder klangen, die letzten Batzen lösten sich in »Tabak und Cerevis« auf, und manche mehr oder minder blutige Kontrahage nahm hier ihren Anfang.
    Einer augenblicklichen Laune folgend, trat Friedemann ins »Saufloch« ein, das er seines Standes wegen um diese Stunde sonst zu meiden pflegte. In der »Bürgerstube« fand er den Postmeister, den Syndikus und andere gute Bekannte und Verehrer seiner Kunst. Jubelnd begrüßten sie ihn, und bald gewahrten auch die nebenan weilenden Studenten seine Anwesenheit. Ehe er sich's versah, war er der Mittelpunkt seiner Anhänger, die ihn mit Wort und Lied, vor allem aber mit Zutrinken, weidlich feierten. Je mehr es sich jedoch die Gesellschaft angelegen sein ließ, seine mürrische Stimmung zu bannen, um so verstimmter wurde er, bis plötzlich sein verhaltener Ärger sich in der Erzählung dessen Luft machte, was ihm widerfahren war. »Der verdammte Duckmäuser! Der Lump!« schrien die Studenten durcheinander und ließen einen Hagel weiterer Schimpfworte fallen. In der ersten Hitze wollten die Empörten dem Spex vors Haus ziehen und die Freigabe der Orgel verlangen; nur die Bitten und Vorstellungen des Syndikus, daß man dadurch Bachs Stellung noch mehr gefährde, brachten die jungen Leute zur Vernunft.
    »Ich gebe Ihnen mein Wort«, rief Friedemann ihnen zu, als er nach Hause ging, »daß der Pastor Spex schon morgen froh sein soll, wenn ich seine Orgel wieder spiele!«
    Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht von dem Vorfall durch die Stadt, und am Sonntagmorgen war die Marienkirche schon vor Beginn des Gottesdienstes überfüllt. Friedemann Bach erschien, als die letzten Glockentöne verhallt waren, aber nicht auf dem Chor, sondern unten im Schiff, wo er sich mitten unter die Gemeinde setzte. Man sah ihn erstaunt an, man flüsterte, drehte den Kopf nach der Orgel um. »Ja, ich bin selbst neugierig«, beantwortete er halblaut die stummen Fragen seiner Nachbarn, »wer heute die Orgel spielen wird.«
    Aber da kam auch schon der Küster, der den überall Gesuchten schließlich hier entdeckt hatte, auf ihn zu und ersuchte im Auftrag des Superintendenten, doch endlich mit dem Präludium zu beginnen.
    »Ich? -- Nein! Ich will einmal zuhören. Spiele, wer Lust hat!«
    »Aber, mit Verlaub, Herr Oberorganist, der Herr Schnabel hat ja die Orgelschlüssel nicht!«
    »Das weiß ich wohl! Ich hab' sie in der Tasche, und da sollen sie auch bleiben!«
    Der Küster ging, kehrte aber gleich darauf zurück und bat Friedemann zu einer Unterredung mit Spex in die Sakristei.
    Zitternd vor Wut und Ärger, doch alle Kraft aufbietend, um sich nicht noch mehr bloßzustellen, empfing ihn der Prediger. »Herr Oberorganist Bach, ich bitte mir die Orgelschlüssel aus!«
    »Herr Superintendent Spex, die gebe ich nicht. Die Orgel ist unter meinem Verschluß!«
    »Und Sie weigern sich, im Hause des Herrn an Ihre Amtsverrichtungen zu gehen?«
    »Ich weigere mich, weil Sie mich derselben enthoben haben und ich damit einverstanden bin. Mein Amt, das mir Seine Majestät gegeben hat, können Sie mir nicht nehmen, wohl aber mir den Gebrauch Ihrer Orgel entziehen. Hinwiederum habe ich als Oberorganist dafür zu sorgen, daß kein Pfuscher über sie gerät!«
    »Aber ich bitte Sie, um Gottes willen, was soll denn geschehen?«
    »Das weiß ich nicht!«
    »Wollen Sie denn die Orgel überhaupt nicht mehr spielen?« fragte Spex ängstlich und doch voll verhaltener Wut.
    »Nein! Entweder habe ich über die Orgel zu befehlen und spiele sie, wann und wie mir gefällt, oder gar nicht!«
    »Nun, so spielen Sie in ... Himmels Namen, wann und wie Sie wollen; ich gebe mich drein!«
    Wenige Minuten später umrauschten in ungewöhnlicher Pracht die Orgeltöne die Gemeinde.
    Spex, besiegt und dem Gespött der akademischen Jugend preisgegeben, fühlte, wie tief seine Autorität bei den Gläubigen sinken mußte, und er beschloß, auf der Stelle etwas dagegen zu tun. Er bestieg also die Kanzel und überschüttete, indem er das Evangelium von den »anvertrauten Pfunden« und

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