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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Kindlichkeit und Weiblichkeit erfassen können, durch die sie sich von allen unterschied. Einmal, noch in Europa, kam ich beim Betrachten ihrer Bilder auf den Gedanken, daß man sie eigentlich nicht als Mädchen bezeichnen dürfte. Sie war eine Frau, in der ein kleines Mädchen steckte, immer ein bißchen verwundert und überrascht, fröhlich wie ein launisches Kind und doch darunter Verzweiflung oder Furcht verbergend wie jemand, der niemanden hat, dem er sein böses Geheimnis anvertrauen kann. Sie nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und blies den Rauch sachte gegen die zwischen uns blakende Kerze. Nein, das war nicht bloß Ähnlichkeit, sondern Identität! Ich spürte, daß ich jetzt nicht zu viel auf einmal denken durfte, weil mich sonst mancherlei Verdacht überkommen könnte: Ich war ja nicht blind und konnte darüber nachgrübeln, warum sie die Zigaretten in der Hosentasche gehabt hatte – eine Frau tut das niemals. Außerdem besaß sie ja eine sogar ziemlich große, pralle Handtasche, die über der Stuhllehne hing.
    Der Kellner brachte die Pizza, hatte aber den Chianti vergessen. Er entschuldigte sich und eilte aus dem Raum. Den Wein brachte ein anderer. Ich nahm das wahr, weil das Lokal nach dem Muster einer Taverne funktionierte und die Kellner ihre Servietten wie knielange Schürzen umgebunden hatten. Dieser andere jedoch trug seine Serviette über dem angewinkelten Unterarm. Nachdem er uns eingeschenkt hatte, ging er nicht weg, sondern zog sich nur um einen Schritt hinter die Trennwand zurück. Ich konnte ihn sehen, weil er sich im Messingbeschlag der Schwingtür spiegelte. Der Blonden entging das, denn sie saß tiefer in der Nische. Die Pizza war leidlich, das Gebäck ziemlich hart. Wir sprachen nicht während des Essens. Sie schob den Teller weg und griff wieder nach einer Camel.
    »Wie ist denn Ihr Name?« fragte ich.
    Ich wollte einen fremden Namen hören, um den Eindruck loszuwerden, es könnte jene sein.
    »Trinken wir erst mal«, sagte sie mit ihrer belegten Stimme, nahm unsere beiden Gläser und tauschte sie aus.
    »Hat das etwas zu bedeuten?« fragte ich.
    »Es ist so ein Aberglaube von mir«, antwortete sie und lächelte nicht einmal dabei. »Auf gutes Gelingen!«
    Mit diesen Worten hob sie das Glas zum Mund. Ich tat es ihr nach, die Pizza war scharf gewürzt gewesen, ich hätte den Wein auf einen Zug hinuntergestürzt, aber plötzlich fuhr flatternd etwas dazwischen und schlug mir das Glas aus der Hand. Der Chianti ergoß sich über die Frau und troff wie Blut von ihrem weißen Pullover. Ich wollte aufspringen, kam aber nicht hoch, weil meine Füße weit unter der Holzbank gegenüber steckten. Ehe ich sie heraushatte, ging der Krawall los. Der Kellner ohne Schürze, der mir mit der Serviette das Glas aus der Hand geschlagen hatte, war vorgesprungen und packte die Frau am Arm. Sie riß sich los und hob ihre Tasche, als wolle sie ihr Gesicht dahinter bergen. Der Barkeeper stürzte hinter dem Tresen hervor und schlug krachend zu Boden – der schläfrige dicke Glatzkopf hatte ihm ein Bein gestellt. Die Frau hantierte an ihrer Tasche herum, ein weißer Schaumstrahl brach daraus hervor wie aus einem Feuerlöscher. Der Kellner sprang zurück und faßte sich ins Gesicht, von dem ihm der weiße Brei auf die Weste quoll. Aus der Pendeltür kam der zweite Kellner und schrie auf, ebenfalls von dem Schaumstrahl getroffen. Verzweifelt rieben sich beide Gesicht und Augen, wie Schauspieler nach der Tortenschlacht einer slapstick comedy . Der Schaum verdampfte und verbreitete einen scharfen, ätzenden Geruch, weiße Dunstschwaden wogten durch das ganze Lokal. Die Frau schaute blitzschnell nach rechts und links, auf die unschädlich gemachten Kellner, und kehrte die Tasche gegen mich. Ich begriff, daß nun ich an der Reihe war, aber ich möchte heute noch wissen, warum ich keine Anstalten machte, mich zu schützen. Plötzlich war etwas Großes, Schwarzes vor mir, das unter dem Schaumstrahl prasselte wie ein Trommelfell – der Dicke hatte seinen Regenschirm vor mir aufgespannt. Die Tasche flog in die Mitte des Lokals und blitzte auf, es gab fast keinen Laut, aber dichter, dunkler Qualm quoll daraus hervor und mischte sich mit dem weißen Dunst. Der Barkeeper sprang vom Fußboden auf und rannte zur Küche. Die Pendeltür schwang noch hin und her, eben war die Frau dahinter verschwunden. Der Dicke warf dem Barkeeper den aufgespannten Schirm vor die Füße, der andere sprang darüber weg, verlor das

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