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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wird das einer echten Psychose immer ähnlicher. Wer kann heutzutage nicht verrückt werden? Jeder kann es. Ich als erster, Herr Tichy.«
    »Und dieser Schaum? Dieser Spray?«
    »Das war das letzte Mittel zum Rückzug, so etwas wie das Reserverad im Kofferraum. Sie benutzte es, weil sie nicht anders konnte.«
    »Wer sind denn nun diese anderen, von denen ihr immer redet?«
    Lohengrin lächelte vergnügt und trocknete sich die schweißnasse Stirn mit einem Taschentuch, das nicht gerade klinisch sauber war und das er etwas angewidert betrachtete, ehe er es wieder einsteckte.
    »Sie scheinen wahrhaftig noch nicht ganz volljährig zu sein«, meinte er dann. »Von Ihrer Kandidatur sind durchaus nicht alle so begeistert wie wir, Herr Tichy.«
    »Gibt es für mich einen Auswechsler? Ich habe mich nie erkundigt, ob jemand in Reserve steht. Er könnte vielleicht einen Fingerzeig bieten …«
    »Nein. Jetzt gibt es nicht einen Ersatzmann, sondern einen ganzen Haufen, alle mit ähnlicher Punktzahl. Es müßten erst neue Untersuchungen angestellt, eine Selektion vorgenommen werden. Dann ließe sich etwas mutmaßen, jetzt aber nicht.«
    »Eines möchte ich gerne noch wissen«, sagte ich, nicht ohne Zögern. »Wie kam es, daß diese Frau so aussah?«
    »Das ist uns zum Teil bekannt.« Lohengrin lächelte wieder. »Vor ein paar Wochen ist Ihre Wohnung in Europa auf den Kopf gestellt worden. Es ist nichts weggekommen, aber alles betrachtet worden. Daher.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Ihre Bibliothek. Sie haben ein Buch und zwei Bildbände über die Monroe. Ein kleines Faible offenbar.«
    »Ihr habt in meiner Wohnung herumgestöbert, ohne mir ein Wort zu sagen?«
    »Es steht alles wie zuvor, sogar vom Staub befreit, und was den Besuch angeht, so waren wir nicht die ersten. Sie haben gesehen, wie gut es war, daß unsere Leute auch ausgiebig in Ihren Büchern geblättert haben. Wir haben Ihnen nichts gesagt, um Sie nicht nervös zu machen. Sie haben ohnedies genug am Hals. Maximale Konzentration ist eine unabdingbare Voraussetzung. Wir sind sozusagen kollektive Kindermädchen.« Er beschrieb mit der Hand einen Kreis, in den er die Anwesenden einschloß: den Dicken (jetzt ohne Regenschirm), den Chemiker und drei schweigsame Herren, deren Aufgabe offenbar darin bestand, die Wände vor dem Einsturz zu bewahren. »Ich hielt es daher für besser, Ihnen den gewünschten Passierschein zu geben, statt von Ihrer Wohnung zu petzen. Das hätte Sie ja erst recht nicht zur Ruhe gebracht, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich nicht.«
    »Na sehen Sie.«
    »Schön. Meine Frage bezog sich jedoch auf die Ähnlichkeit – mein Gott, war sie ein – Mensch?«
    »Wie man es nimmt. Nicht direkt. Wollen Sie sie sehen? Wir haben sie hier. Sie liegt da drüben.« Er wies auf eine Tür hinter seinem Rücken.
    Obwohl ich ihn richtig verstanden hatte, schoß mir für einen Sekundenbruchteil der Gedanke durch den Kopf, nun sei Marilyn Monroe zum zweitenmal gestorben.
    »Ein Erzeugnis der Gynandroics?« fragte ich schleppend. »Ein sogenanntes Playmate?«
    »Nur der Firmenname stimmt nicht, es gibt mehr davon. Wollen Sie sie sehen?«
    »Nein«, sagte ich entschieden. »Aber in diesem Falle muß sie doch jemand – gesteuert haben?«
    »Natürlich. Dieser Jemand ist verduftet, er muß übrigens eine Frau von großer schauspielerischer Begabung gewesen sein. Haben Sie auf die Gestik und das Mienenspiel geachtet? Das war allerhöchste Klasse, ein Laie hätte das nicht fertiggebracht. So eine Ähnlichkeit vermitteln, wie soll ich sagen, das leben zu können – dazu hat Studium gehört. Natürlich auch Übung. Die Monroe hat Filme hinterlassen, das wird geholfen haben. Aber trotzdem …«
    Er zuckte die Achseln. Er sprach als einziger, für die anderen mit.
    »Soviel Mühe sollte man sich gemacht haben?« fragte ich. »Wozu denn?«
    »Eine alte Frau hätten Sie ja nicht mitgenommen.«
    »Doch.«
    »Aber Pizza wären Sie nicht mit ihr essen gegangen, jedenfalls war das ungewiß. Man brauchte die Gewißheit, daß Ihr Interesse geweckt wurde. Sie dürften das übrigens ganz genau selber wissen, mein Lieber! Schließen wir das Kapitel jetzt ab.«
    »Was habt ihr … mit ihr gemacht?«
    Eigentlich hatte ich sagen wollen: Habt ihr sie umgebracht? – obgleich ich die Sinnlosigkeit einer solchen Frage einsah. Er verstand mich.
    »Nichts. Ein Sendung fällt von alleine um wie ein Klotz, sobald der Funkkontakt abbricht. Es ist ja nur eine

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