Friedhof der Kuscheltiere
an, wenn es dazu beiträgt, daß du dich wohler fühlst.«
Sie lächelte. »Das tut es. Und ich fühle mich wohler. Mir ist, als hätte ich etwas von mir gegeben, das einen Teil von mir seit Jahren vergiftet hat.«
»Das mag sein.«
Rachels Augen fielen zu und öffneten sich dann wieder -- ganz langsam. »Und gib nicht meinem Vater die ganze Schuld, Louis, bitte. Auch für sie war es eine schlimme Zeit. Die Rechnungen -- Zeldas Rechnungen -- türmten sich zu Bergen. Mein Vater konnte die Gelegenheit, sein Geschäft in die Vororte auszudehnen, nicht wahrnehmen, und im Hauptgeschäft ging der Umsatz zurück. Außerdem war auch meine Mutter nahe daran, den Verstand zu verlieren.
Danach kam alles wieder ins Lot. Es war, als wäre Zeldas Tod das Signal für den Anbruch einer besseren Zeit gewesen. Die Rezession ging vorüber, es war wieder Geld da, und Daddy bekam seinen Kredit; seither hat er nie mehr zurückgeblickt. Aber das ist der Grund, weshalb sie sich immer an mich geklammert haben. Nicht nur, weil ich allein übriggeblieben bin...«
»Es ist Schuldgefühl«, sagte Louis.
»Ja, das glaube ich auch. Und du bist mir nicht böse, wenn ich bei Normas Beerdigung krank bin?«
»Nein, Liebling, ich bin dir nicht böse.« Er hielt inne und ergriff dann ihre Hand. »Darf ich Ellie mitnehmen?«
Ihre Hand verkrampfte sich in seiner. »Ich weiß nicht, Louis«, sagte sie. »Sie ist noch so klein...«
»Sie weiß seit einem Jahr oder länger, wo die Babies herkommen«, erinnerte er sie abermals.
Sie schwieg lange, blickte zur Zimmerdecke empor und biß sich auf die Lippen. »Wenn du meinst, daß es ihr nicht schadet...«
»Komm zu mir, Rachel«, sagte er, und in dieser Nacht schliefen sie Bauch an Rücken auf Louis' Seite des Bettes, und als die Wirkung des Schlafmittels nachließ und sie mitten in der Nacht zitternd aufwachte, beruhigte er sie und flüsterte ihr ins Ohr, daß alles in Ordnung war, und sie schlief weiter.
33
»Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber gehet, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. Lasset uns beten.«
Ellie, strahlend in einem marineblauen, extra für diesen Anlaß gekauften Kleid, senkte so heftig den Kopf, daß Louis, der in der Bank neben ihr saß, ihre Halswirbel knacken hörte. Sie war bisher kaum jemals in einer Kirche gewesen, und natürlich war es ihre erste Beerdigung; beides zusammen machte sie ehrfürchtig und ungewöhnlich schweigsam.
Für Louis war es eine seltene Begegnung mit seiner Tochter. Meist war er von seiner Liebe zu ihr ebenso geblendet wie von seiner Liebe zu Gage; er hatte sie deshalb selten unvoreingenommen betrachtet. Aber heute glaubte er etwas zu sehen, das fast ein Fall aus dem Lehrbuch war -- ein Kind, das sich dem Ende des ersten großen Entwicklungsstadiums seines Lebens näherte; ein Organismus, der fast ganz aus Neugierde bestand und wie besessen Informationen speicherte, in kaum vorstellbarem Umfang.
Ellie hatte sogar geschwiegen, als sich Jud, der in seinem schwarzen Anzug und seinen Schnürschuhen (Louis war sicher, ihn zum ersten Mal in etwas anderem als Slippern oder grünen Gummistiefeln zusehen) ungewohnt, aber elegant aussah, zu ihr niederbeugte und sagte: »Ich freue mich, daß du gekommen bist. Und Norma freut sich bestimmt auch.«
Ellie hatte ihn mit großen Augen angestarrt.
Jetzt erteilte Reverend Laughlin, der methodistische Geistliche, den Segen und betete zu Gott, er möge sein Angesicht über sie neigen und ihnen Frieden geben.
»Würden die Sargträger bitte vortreten?« fragte er.
Louis wollte aufstehen, aber Ellie hielt ihn zurück und zog heftig an seinem Arm. Sie sah verängstigt aus. »Daddy!« flüsterte sie weithin hörbar. »Wo gehst du hin?«
»Ich bin einer der Sargträger, Kleines«, sagte Louis, setzte sich noch einmal einen Augenblick neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern. »Das bedeutet, daß ich Norma hinaustragen helfe. Wir sind zu viert -- zwei von Juds Neffen, Normas Bruder und ich.«
»Und wo finde ich dich wieder?« Ellies Gesicht war noch immer gespannt und voller Angst.
Louis blickte nach vorn. Dort hatten sich die drei anderen Sargträger um Jud versammelt. Der Rest der Gemeinde verließ die Kirche; einige Leute weinten.
»Geh nach draußen auf die Stufen. Ich hole dich da ab«, sagte er. »In Ordnung, Ellie?«
»Ja«, sagte sie. »Aber vergiß mich nicht.«
»Bestimmt nicht.«
Er erhob sich
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