Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
betrachtete sie genauer. »Die Kinder, ja. Du nicht.«
    »Ich habe gelesen.«
    »Ist alles in Ordnung? Wirklich in Ordnung?«
    »Ja«, sagte sie und lächelte. »Ich liebe dich, Lou.«
    »Ich dich auch, Baby.« Sein Blick wanderte zum Bücherregal, und da stand der Troutman, wo er hingehörte. Louis legte die Hand auf das Lehrbuch.
    »Church brachte eine Ratte ins Haus, während du mit Ellie weg warst«, sagte sie und versuchte zu lächeln. »Eine scheußliche Schweinerei.«
    »Oh, Rachel, das tut mir leid.« Er hoffte, daß seine Stimme nicht so schuldbewußt klang, wie er sich in diesem Augenblick fühlte. »War es schlimm?«
    Rachel setzte sich auf die Treppe. In ihrem rosa Flanellnachthemd, das Gesicht vom Make-up befreit, die Stirn glänzend, die Haare mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, sah sie aus wie ein Kind. »Ich habe sie weggeschafft«, sagte sie, »aber kannst du dir vorstellen, daß ich diesen blöden Kater mit der Staubsaugerbürste zur Tür hinausschieben mußte, bevor er es aufgab, den -- den Kadaver zu bewachen? Er hat mich tatsächlich angeknurrt. Das hat er noch nie getan. Irgendwie kommt er mir in letzter Zeit verändert vor. Was meinst du, Lou -- ob er vielleicht krank ist?«
    »Nein«, sagte Louis bedächtig, »aber ich bringe ihn gern zum Tierarzt, wenn du es möchtest.«
    »Wahrscheinlich fehlt ihm nichts«, sagte sie und sah ihn dann irgendwie wehrlos an. »Aber kannst du nicht heraufkommen? Es ist nur -- ich weiß, daß du arbeitest, aber...«
    »Natürlich«, sagte er und stand auf, als wäre das, was er vorgehabt hatte, völlig unwichtig. Und das war es im Grunde auch -- obwohl er wußte, daß sein Brief nun nie geschrieben werden würde, weil das Leben weiterging und der morgige Tag etwas Neues bringen würde. Aber er hatte sich diese Ratte eingehandelt, oder etwa nicht? Die Ratte, die Church hereingebracht hatte, bestimmt in blutige Fetzen zerrissen, mit heraushängenden Eingeweiden, vielleicht ohne Kopf -- er hatte sie sich eingehandelt. Es war seine Ratte.
    »Gehen wir schlafen«, sagte er und löschte die Lichter. Zusammen gingen sie die Treppe hinauf. Louis legte den Arm um Rachels Taille und liebte sie, so gut er konnte -- doch selbst als er hart und steif in sie eindrang, lauschte er dem Heulen des Winterwinds vor den eisbedeckten Fenstern, dachte über Church nach, den Kater, der früher seiner Tochter gehört hatte und jetzt ihm gehörte; er überlegte, wo er sein mochte und was er gerade belauerte oder tötete. Der Acker im Herzen eines Mannes ist steiniger, dachte er, und der Wind sang sein bitteres, schwarzes Lied, und nicht allzuviele Meilen entfernt lag Norma Crandall, die einst seiner Tochter und seinem Sohn gleichfarbige Mützen gestrickt hatte, in ihrem stahlgrauen American Eternal-Sarg auf einer Steinplatte in der Krypta von Mount Hope; und die weiße Watte, mit der der Bestattungsunternehmer ihre Wangen ausgestopft hatte, würde jetzt schwarz werden.

 34
    Ellie wurde sechs. An ihrem Geburtstag kam sie mit einem Papierhut aus der Schule, der ihr schief auf dem Kopf saß, mehreren Bildern, die ihre Freundinnen von ihr gemalt hatten (auf den besten sah Ellie aus wie eine freundliche Vogelscheuche), und schlimmen Geschichten über Pausenprügeleien auf dem Schulhof. Die Grippe-Epidemie ging vorüber. Sie mußten zwei Studenten ins Eastern Maine Medical Center nach Bangor schicken, und Surrendra Hardu rettete wahrscheinlich einem schwerkranken Studienanfänger namens Peter Humperton, der kurz nach seiner Einlieferung von Krampfen befallen wurde, das Leben. Rachel verliebte sich ein wenig in den blonden Packer im A&P-Supermarkt in Bangor und hielt Louis am Abend einen begeisterten Vortrag darüber, wie ausgefüllt seine Jeans aussahen. »Wahrscheinlich ist es nur Toilettenpapier«, setzte sie hinzu. »Greif bei Gelegenheit zu«, schlug Louis vor. »Wenn er schreit, ist es wahrscheinlich keines.« Rachel lachte, bis ihr die Tränen kamen. Der Februar mit seinem stillen, blauen Frostwetter ging vorüber, der März brachte den Wechsel von Regen und Frost, Schlaglöcher und die orangefarbenen Straßenschilder, die auf Frostaufbrüche hinwiesen. Der erste, unmittelbarste und intensivste Kummer von Jud Crandall ging vorüber, jener Kummer, von dem die Psychologen sagen, daß er etwa drei Tage nach dem Tod eines geliebten Menschen einsetzt und in den meisten Fällen ungefähr sechs Wochen andauert -- wie jene Zeitspanne, die in Neuengland oft

Weitere Kostenlose Bücher