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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der Tür«, sagte Louis mit schwerer Zunge. Er versuchte zu lachen. Es war, als wäre die Uhr rückwärts gelaufen. Es war wieder Thanksgiving. Gleich würden sie den steifen, unnatürlich schwer gewordenen Kadaver von Ellies Kater in den Müllbeutel stecken und sich auf den Weg machen. Fragen Sie nicht, was das soll; lassen Sie uns weitergehen und unseren Besuch abstatten.
    »Darf ich hereinkommen, Louis?« fragte Jud. Er zog eine Schachtel Chesterfield aus der Hemdentasche und steckte sich eine in den Mund.
    »Ich sag Ihnen was«, sagte Louis. »Es ist spät, und ich habe eine Menge Bier getrunken.«
    »Ja, das rieche ich«, sagte Jud. Er riß ein Streichholz an. Der Wind blies es aus. Er riß zwischen den hohlen Händen ein zweites an, aber die Hände zitterten und überließen das Streichholz wieder dem Wind. Jud nahm ein drittes Streichholz zur Hand, tat so, als wollte er es anreißen, und blickte dann zu Louis hoch, der auf der Schwelle stand. »Ich kriege das Ding nicht zum Brennen«, sagte Jud. »Lassen Sie mich herein oder nicht, Louis?«
    Louis trat beiseite und ließ Jud eintreten.

 38
    Sie saßen am Küchentisch, jeder ein Bier vor sich -- das erste Mal, daß wir in unserer Küche zusammensitzen, dachte Louis ein wenig überrascht. Als sie das Wohnzimmer durchquerten, hatte Ellie im Schlaf aufgeschrien, und beide waren erstarrt wie Schachfiguren. Doch der Schrei hatte sich nicht wiederholt.
    »Okay«, sagte Louis, »und weshalb erscheinen Sie hier eine Viertelstunde nach Anbruch des Tages, an dem mein Sohn beerdigt wird? Sie sind ein Freund, Jud, aber das geht ein wenig zu weit.«
    Jud trank, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und blickte Louis direkt an. In seinen Augen lag etwas Klares, Eindeutiges, und schließlich senkte Louis den Blick.
    »Sie wissen, weshalb ich hier bin, Louis«, sagte Jud. »Sie denken an Dinge, an die man nicht denken sollte. Schlimmer noch -- ich fürchte, Sie ziehen sie in Erwägung.«
    »Ich habe nur daran gedacht, schlafen zu gehen«, sagte Louis. »Ich muß morgen zu einer Beerdigung.«
    »Ich bin für mehr Kummer in Ihrem Herzen verantwortlich, als Sie heute nacht empfinden«, sagte Jud leise. »Es kann sogar sein, daß ich für den Tod Ihres Sohnes verantwortlich bin.«
    Louis blickte betroffen auf. »Was? Reden Sie keinen Unsinn, Jud!«
    »Sie denken daran, ihn da oben zu begraben«, sagte Jud. »Sie können nicht abstreiten, daß Ihnen der Gedanke durch den Kopf gegangen ist, Louis.«
    Louis gab keine Antwort.
    »Wie weit reicht sein Einfluß?« fragte Jud. »Können Sie mir das sagen? Nein. Nicht einmal ich kann diese Frage beantworten; dabei habe ich mein ganzes Leben in dieser Gegend verbracht. Ich weiß einiges über die Micmac, ich weiß, dieser Platz war für sie immer eine Art heiliger Ort -- aber nicht im guten Sinn. Das hat mir Stanny B. erzählt. Auch mein Vater hat es mir erzählt -- später. Nachdem Spot zum zweiten Mal gestorben war. Jetzt streiten sich die Micmac, der Staat Maine und die Regierung der Vereinigten Staaten vor Gericht darum, wem das Land gehört. Wem gehört es? Niemand weiß es genau. Jedenfalls jetzt nicht mehr. Immer wieder haben andere Leute Anspruch darauf erhoben, aber die Ansprüche ließen sich nicht belegen. Einer von ihnen war Anson Ludlow, der Urenkel des Gründers dieser Stadt. Unter den Weißen war er vielleicht derjenige, dessen Anspruch am ehesten begründet war, weil Joseph Ludlow der Ältere den ganzen Plunder von König Georg geschenkt bekommen hatte -- damals, als ganz Maine nicht mehr war als eine große Provinz der Massachusetts Bay Colony. Aber selbst er hatte vor Gericht darum kämpfen müssen -- es gab noch andere Ludlows, die Ansprüche erhoben, und außerdem einen gewissen Peter Dimmart, der behauptete, überzeugend beweisen zu können, daß er ein Ludlow von der falschen Seite des Bettlakens war. Joseph Ludlow der Ältere besaß gegen Ende seines Lebens zwar kein Geld, aber viel Land, und davon verschenkte er des öfteren zweihundert oder vierhundert Morgen, wenn er zu tief ins Glas geschaut hatte.«
    »Wurden diese Schenkungen denn nicht eingetragen?« fragte Louis, wider Willen fasziniert.
    »Oh, im Eintragen von Schenkungen vollbrachten sie wahre Meisterleistungen, unsere Großväter«, sagte Jud und zündete sich am Rest seiner Zigarette eine neue an. »Die ursprüngliche Eintragung für Ihr Grundstück zum Beispiel lautet so.« Jud schloß die Augen und zitierte: »Vom großen, alten Ahorn, der

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