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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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auf dem Kamm von Quinceberry Ridge steht, bis zum Ufer des Orrington; so weit reicht das Gebiet von Norden bis Süden.« Jud grinste, aber nicht sonderlich belustigt. »Aber der große, alte Ahorn stürzte, sagen wir, 1882 um und war um 1900 restlos verrottet, und der Orrington verschlammte und verwandelte sich in den zehn Jahren vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Börsenkrach in einen Sumpf. Ein heilloses Durcheinander war die Folge. Aber für den alten Anson spielte das ohnehin keine Rolle mehr. Er wurde 1921 vom Blitz erschlagen, und zwar da oben beim Begräbnisplatz.«
    Louis starrte Jud an. Jud trank einen Schluck Bier. »Aber das ist ziemlich belanglos. Es gibt eine Menge Orte, bei denen die Besitzansprüche so verworren sind, daß sich keiner mehr durchfindet und nur die Anwälte einen Haufen Geld verdienen. Das wußte schon Dickens. Letzten Endes, glaube ich, werden die Indianer das Land zurückbekommen, und ich finde, es steht ihnen zu. Aber darum geht es nicht, Louis. Ich bin herübergekommen, um Ihnen von Timmy Baterman und seinem Vater zu erzählen.«
    »Wer ist Timmy Baterman?«
    »Timmy Baterman war einer der ungefähr zwanzig Jungen aus Ludlow, die nach Europa geschickt wurden, um gegen Hitler zu kämpfen. Er wurde 1942 eingezogen. 1943 kam er in einer mit einer Flagge zugedeckten Kiste zurück. Er war in Italien gefallen. Sein Daddy, Bill Baterman, hatte immer in dieser Stadt gelebt. Er verlor fast den Verstand, als er das Telegramm bekam -- und dann beruhigte er sich. Er kannte den Begräbnisplatz der Micmac. Und er wußte, was er tun würde.«
    Wieder das eiskalte Entsetzen. Louis starrte Jud lange an, versuchte, in den Augen des alten Mannes die Lüge zu entdecken.Sie war nicht da. Aber daß diese Geschichte ausgerechnet jetzt ans Licht kam, war schon recht merkwürdig.
    »Warum haben Sie mir das nicht schon damals erzählt?« fragte er schließlich. »Damals -- nach der Sache mit dem Kater? Als ich Sie fragte, ob man schon einmal einen Menschen dort oben begraben hat? Sie sagten, das hätte noch nie jemand getan.«
    »Weil Sie es damals nicht zu wissen brauchten«, sagte Jud. »Jetzt müssen Sie es wissen.«
    Louis schwieg lange. »War er der einzige?«
    »Meines Wissens war er der einzige«, sagte Jud ernst. »Ob er der einzige war, der es je versucht hat? Ich bezweifle es, Louis, ich bezweifle es ganz erheblich. Ich halte es mit dem Prediger Salomo -- ich glaube, daß nichts Neues geschieht unter der Sonne. Sicher, manchmal wechselt der Flitter, der über die Oberfläche der Dinge gestreut wird; aber das ist auch alles. Was einmal versucht wurde, wurde schon zuvor versucht -- und zuvor -- und zuvor.«
    Er blickte auf seine leberfleckigen Hände. Die Uhr im Wohnzimmer schlug leise halb eins.
    »Ich dachte mir, Sie als Arzt sind es gewohnt, Symptome zu sehen und die Krankheiten zu erkennen, die dahinterstecken -- und ich beschloß, ein offenes Wort mit Ihnen zu reden, als mir Mortonson drüben im Bestattungsinstitut erzählte, Sie hätten einen Grabeinsatz bestellt und keine versiegelte Gruft.«
    Louis blickte Jud lange Zeit wortlos an. Jud errötete, wandte aber den Blick nicht ab.
    Endlich sagte Louis: »Mir scheint, Sie haben einbißchen herumgeschnüffelt, Jud. Besonders schön finde ich das nicht.«
    »Ich habe ihn nicht gefragt, was sie gekauft haben.«
    »Vielleicht nicht rundheraus.«
    Aber Jud gab darauf keine Antwort, und obwohl sein Gesicht noch röter geworden war -- es hatte jetzt fast die Farbe von Pflaumen angenommen --, hielt er Louis' Blick stand.
    Schließlich seufzte Louis. Er fühlte sich unaussprechlich müde. »Und wenn schon. Mir ist es einerlei. Vielleicht haben Sie sogar recht. Vielleicht spukte es irgendwo in meinem Kopf herum, aber wenn, dann ganz weit hinten. Ich habe nicht viel über das, was ich bestellte, nachgedacht. Ich dachte an Gage.«
    »Ich weiß, daß sie an Gage dachten. Aber Sie kennen den Unterschied. Ihr Onkel war Bestattungsunternehmer.«
    Ja, er kannte den Unterschied. Eine versiegelte Gruft war ein massives Gebilde, dazu bestimmt, lange, lange Zeit zu halten. In eine mit Stahlstangen versteifte, rechteckige Form wurde Beton gegossen, und wenn die Zeremonien am offenen Grab vorüber waren, wurde mit Hilfe eines Krans ein leicht gewölbter Deckel darauf abgesenkt und die Fuge mit einer Masse versiegelt, ähnlich dem Teer, mit dem man Schlaglöcher im Straßenbelag ausfüllt. Onkel Carl hatte Louis erzählt, daß diese Masse mit dem Handelsnamen

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