Friedhof der Kuscheltiere
Ladefläche des Cadillacs -- damals wurden die Leichenwagen nicht selten ›Eiltransporter‹ genannt, weil es vor allem darum ging, sie in die Erde zu bekommen, bevor sie verwesten. Bill Baterman stand daneben, und sein Gesicht war versteinert und irgendwie -- ich weiß nicht --, irgendwie trocken, könnte man vielleicht sagen. Er vergoß keine Träne. An diesem Tag fuhr Huey Garber den Zug, und er sagte, dieser Offizier hätte eine ganz schöne Tour dabei gehabt. Sie hätten eine Menge solcher Särge nach Limestone eingeflogen und nach Presque Isle gebracht, erzählte Huey, und da wären die Särge und ihre Begleiter auf die Züge nach Süden verladen worden. Der Offizier kommt auf Huey zu, zieht eine Literflasche Whisky aus der Uniformbluse und sagt dann mit seinem weichen, schleppenden Südstaatenakzent: ›Ja, Lokführer, heute fahren Sie einen Geisterzug, wußten Sie das?‹
Huey schüttelt den Kopf.
›Doch, das tun Sie. So nennt man nämlich bei uns in Alabama einen Zug, der Leichen transportiert.‹ Und dann, sagt Huey, zog der Mann eine Liste aus der Tasche und warf einen Blick darauf. ›Als erstes werden wir zwei dieser Särge in Houlton abladen, dann habe ich einen für Passadumkeag, zwei für Bangor, einen für Derry, einen für Ludlow und so weiter. Zum Kotzen. Ich komme mir vor wie der Milchmann. Mögen Sie einen Schluck?‹
Huey lehnt ab und sagt, daß die Bangor und Aroostook-Gesellschaft auf Lokführer mit Whiskyatem ziemlich sauer reagiert, und der Mann von Graves and Registration nimmt es Huey nicht übel, und Huey nimmt dem Mann auch nicht übel, daß er sich einen antrinkt. Sie haben sich sogar die Hände geschüttelt, sagt Huey.
Also, sie fuhren los und setzten an jedem zweiten oder dritten Bahnhof ein paar von diesen flaggenbedeckten Särgen ab. Achtzehn oder zwanzig insgesamt. Der Zug wäre die ganze Strecke bis Boston gefahren, sagte Huey, und an jeder Station standen jammernde und weinende Verwandte, nur nicht in Ludlow -- in Ludlow konnte er den Anblick von Bill Baterman genießen, der aussah, als wäre er innerlich tot und wartete nur darauf, daß seine Seele zu stinken anfing. Am Ende dieser Fahrt, sagte er, hätte er den Offizier aufgeweckt, und dann hätten sie eine Runde durch einige Kneipen gemacht -- fünfzehn oder zwanzig, und danach war Huey betrunkener als je zuvor; er ging zu einer Hure, was er noch nie in seinem Leben getan hatte, und wachte mit Filzläusen auf, die so groß und widerlich waren, daß ihm ganz flau wurde, und er sagte, wenn das dabei herauskommt, wenn man einen Geisterzug fährt, dann wollte er nie wieder einen Geisterzug fahren.
Timmys Leichnam wurde zum Greenspan Funeral Home an der Fern Street gebracht -- das war da, wo heute die neue Wäscherei von Franklin steht --, und zwei Tage später wurde er auf dem Pleasantview-Friedhof mit militärischen Ehren beigesetzt.
Sie müssen wissen, Louis: Missus Baterman war damals schon zehn Jahre tot, zusammen mit dem zweiten Kind, das sie zur Welt zu bringen versuchte, und das spielte bei dem, was nun geschah, eine große Rolle. Ein zweites Kind hätte den Kummer ein wenig gelindert, meinen Sie nicht? Ein zweites Kind hätte Bill vielleicht daran erinnert, daß es noch andere Menschen gibt, die Kummer haben und Hilfe brauchen. In dieser Hinsicht sind Sie glücklicher daran -- Sie haben noch ein anderes Kind. Ein Kind und eine Frau, die beide gesund und am Leben sind.
Nach dem Brief, den Bill von dem Leutnant bekam, der für Timmy‘s Platoon zuständig war, starb der Junge am 15. Juli 1943 an der Straße nach Rom. Zwei Tage später wurde sein Leichnam nach Hause geflogen, und am 19. traf er in Limestone ein. Am folgenden Tag wurde er in Huey Garbers Geisterzug verladen. Die meisten Soldaten, die in Europa fielen, wurden auch dort begraben; mit dem Zug kamen nur die, die sich irgendwie ausgezeichnet hatten -- Timmy war beim Angriff auf ein Maschinengewehrnest gefallen und posthum mit dem Silver Cross ausgezeichnet worden.
Timmy wurde begraben -- ich kann's nicht beschwören, aber ich glaube, es war am 22. Juli. Vier oder fünf Tage danach sah Marjorie Washburn, die damals die Post auslieferte, Timmy die Straße in Richtung auf Yorks Mietstall entlanggehen. Margie wäre beinahe in den Straßengraben gefahren -- Sie können sich vorstellen, warum. Sie kehrte ins Postamt zurück, warf George Anderson den Sack mit der noch nicht zugestellten Post auf den Schreibtisch und erklärte, sie ginge nach Hause und ins
Weitere Kostenlose Bücher