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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sich herum. Die Leute würden reden; die Geschichte war zu pikant, um nicht weitererzählt zu werden. Hiesiger Arzt dabei ertappt, wie er seinen zweijährigen, vor kurzem bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Sohn aus dem Grab holt. Er würde seinen Job verlieren. Und selbst wenn das nicht geschah, würde Rachel dem eisigen Wind solcher Gedanken ausgesetzt sein, und Ellie würde sich in der Schule vor bösartigen Hänseleien nicht retten können. Vielleicht ließ man die Anklage fallen -- doch dann stand ihm die Demütigung einer Untersuchung auf seinen Geisteszustand bevor.
    Aber ich könnte Gage ins Leben zurückbringen! Gage könnte wieder leben!
    Glaubte er das, wirklich und wahrhaftig?
    Er glaubte es tatsächlich. Immer und immer wieder, vor Gages Tod und danach, hatte er sich gesagt, daß Church nicht tot gewesen war, sondern nur betäubt. Daß Church sich aus der Erde heraus gegraben hatte und nach Hause gekommen war. Eine Kindergeschichte mit grauslichen Untertönen, frei nach E. A. Poe. Herrchen begräbt unwissentlich ein lebendes Tier unter einem Steinhaufen. Treues Tier befreit sich und kommt nach Hause. Großartig. Nur leider nicht wahr. Church war tot gewesen. Der Begräbnisplatz der Micmac hatte ihn ins Leben zurückgebracht.
    Er kniete an Gages Grab und versuchte, alle bekannten Faktoren so rational und logisch zu ordnen, wie diese schwarze Magie es zuließ.
    Timmy Baterman. Erstens: glaubte er die Geschichte? Und zweitens: spielte es eine Rolle?
    Obwohl sie genau zum rechten Zeitpunkt gekommen war, glaubte er sie zum großen Teil. So viel stand fest -- wenn es einen Ort wie den Begräbnisplatz der Micmac gab (was der Fall war) und wenn Leute davon wußten (wie einige der älteren Einwohner von Ludlow), dann würde früher oder später jemand den Versuch unternehmen. Soweit Louis die menschliche Natur kannte, war es kaum wahrscheinlich, daß man es bei ein paar Haustieren und wertvollen Zuchttieren hätte bewenden lassen.
    Gut denn -- glaubte er auch, daß sich Timmy Baterman in eine Art allwissenden Dämon verwandelt hatte?
    Das war eine schwierige Frage, und er ging sie behutsam an, weil er es nicht glauben wollte -- und wohin eine solche Einstellung führen konnte, hatte er schon früher erlebt.
    Nein, er wollte nicht glauben, daß Timmy Baterman ein Dämon gewesen war, aber er wollte -- und konnte -- nicht zulassen, daß das, was er wollte, sein Urteil trübte.
    Louis dachte an Hanratty, den Preisbullen. Hanratty. Jud hatte gesagt, er wäre bösartig geworden. Das war, auf seine Art, auch Timmy Baterman. Hanratty war später von dem gleichen Mann getötet worden, der den Bullen zum Begräbnisplatz der Micmac hinaufgeschleppt hatte. Und Timmy Baterman war von seinem Vater getötet worden.
    Hanratty war bösartig geworden. Hieß das, daß alle Tiere bösartig wurden? Nein. Der Bulle Hanratty war kein Beweis für die Regel; im Gegenteil, Hanratty war die Ausnahme von der Regel. Wie war es bei den anderen Tieren -- Juds Hund Spot, dem Chowchow der alten Frau, Church selbst? Sie waren verändert wiedergekommen, und die Veränderung war in jedem Fall erkennbar gewesen, aber zumindest bei Spot war die Veränderung nicht schwerwiegend genug gewesen, um Jud davon abzuhalten, den Prozeß der -- ja, der Auferstehung Jahre später einem Freund zu empfehlen. Gewiß, hinterher war er mit einer Menge Wenns und Abers gekommen und hatte einen Haufen ominösen Unsinn von sich gegeben, der nicht einmal die Bezeichnung Philosophie verdiente.
    Wie konnte er sich weigern, die Gelegenheit zu ergreifen, die sich ihm bot -- diese einmalige, unglaubliche Gelegenheit --, einzig auf der Basis der Timmy-Baterman-Geschichte? Eine Schwalbe machte noch keinen Sommer.
    Du mißdeutest das ganze Beweismaterial zugunsten des Schlusses, zu dem du kommen willst, protestierte sein Verstand. Gesteh dir wenigstens die gottverdammte Wahrheit ein, daß Church sich verändert hat. Selbst wenn du von den Tieren absiehst -- den Mäusen und den Vögeln --, wie steht es mit dem, was er jetzt ist? Denk an den Tag, an dem wir den Drachen steigen ließen. Weißt du noch, wie Gage an diesem Tag war? Wie kraftvoll und lebendig er war, wie er auf alles reagierte? Willst du, daß er als eine Art Zombie aus einem zweitklassigen Horrorfilm zurückkommt? Oder auch nur als etwas so Prosaisches wie ein geistig zurückgebliebenes Kind? Ein Junge, der mit den Fingern ißt und verständnislos auf den Fernsehschirm starrt und nie lernt, auch

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