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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gefehlt hatte, fügte sich mit säuberlichem Klicken ein.
     
     
    »Was sollen wir?« fragte Rachel und starrte ihn fassungslos an.
    Es war viertel nach zehn. Ellie war zu Bett gegangen. Rachel hatte ein weiteres Valium genommen, nachdem sie die Spuren der Beerdigungsparty beseitigt hatte (›Beerdigungsparty‹ -- das war auch einer dieser uneingestanden paradoxen Ausdrücke, ebenso wie ›Besuchszeit‹, aber für die Art und Weise, in der sie den Nachmittag verbracht hatten, schien es kein anderes Wort zu geben); sie hatte still und benommen gewirkt, seit er aus Bangor zurückgekehrt war -- aber das war durchgedrungen.
    »Deine Eltern nach Chicago begleiten«, wiederholte Louis geduldig. »Sie fliegen morgen. Wenn du sie jetzt anrufst und Delta gleich danach, bekommt ihr vielleicht noch Plätze im gleichen Flugzeug.«
    »Hast du den Verstand verloren, Louis? Nach der Auseinandersetzung, die du mit meinem Vater hattest...«
    Louis spürte, daß er mit einer Zungenfertigkeit redete, die seinem Wesen völlig fremd war, und das erfüllte ihn mit einer Art gespielter Begeisterung. Er kam sich vor wie ein Ersatzspieler beim Football, der unvermutet den Ball bekommt, sich Hals über Kopf ins Spiel stürzt, im Hochgefühl der einmaligen Chance einen Alleingang unternimmt und jedem Zug seiner Gegenspieler zuvorkommt. Er war nie ein sonderlich guter Lügner gewesen und hatte auch diese Unterredung nicht bis in die Einzelheiten hinein geplant, aber jetzt gab er plausible Lügen, Halbwahrheiten und einleuchtende Argumente am laufenden Band von sich.
    »Gerade dieser Auseinandersetzung wegen möchte ich, daß ihr mit ihnen fliegt, Rachel. Es wird Zeit, daß diese Wunde genäht wird. Das wußte ich -- das fühlte ich -- schon im Begräbnisinstitut. Ich versuchte ja gerade, die Dinge wieder ins Lot zu bringen, als der Streit anfing.«
    »Aber diese Reise... Ich glaube, das ist keine gute Idee, Louis. Wir brauchen dich. Und du brauchst uns.« Ihre Augen musterten ihn zweifelnd! »Zumindest hoffe ich, daß du uns brauchst. Und wir sind beide nicht in der rechten Verfassung...«
    »... nicht in der rechten Verfassung, hierzubleiben«, sagte Louis eindringlich. Ihm war, als steckte ihm eine fiebrige Krankheit in den Knochen. »Ich bin froh, daß ihr mich braucht, und ich brauche dich und Ellie nicht weniger. Aber im Augenblick, Liebling, ist dieses Haus für dich der schlimmste Ort auf Erden. Gage ist überall, in jedem Winkel. Für dich, und für mich auch. Aber ich glaube, für Ellie ist es am schlimmsten.«
    Er sah Schmerz in ihren Augen aufflackern und wußte, daß er sie damit getroffen hatte. Ein Teil seines Selbst schämte sich dieses billigen Sieges. In allen Lehrbüchern, in denen das Thema Tod behandelt wurde, stand zu lesen, daß die Hinterbliebenen anfangs den starken Drang empfanden, den Ort, an dem es geschehen war, zu verlassen -- und daß sie diesem Drang nicht nachgeben sollten: unter Umständen war es das Falscheste, das sie tun konnten, denn sie verschafften sich damit den zweifelhaften Luxus, die neue Realität nicht anerkennen zu müssen. Das beste wäre, so hieß es in den Büchern, zu bleiben, wo man war, und in den eigenen vier Wänden gegen den Kummer anzukämpfen, bis er sich in Erinnerung verwandelte. Aber Louis wagte einfach nicht, das Experiment zu unternehmen, solange seine Familie zu Hause war. Er mußte sie loswerden, zumindest für ein paar Tage.
    »Ich weiß«, sagte sie. »Es -- es trifft einen an allen Ecken und Enden. Ich habe die Couch abgerückt, als du in Bangor warst -- ich dachte, wenn ich staubsauge, lenkt mich das ein bißchen ab von -- von allem... und ich fand darunter vier von seinen Matchbox-Autos -- es war, als warteten sie nur darauf, daß er zurückkäme und... du weißt schon, mit ihnen spielte...« Ihre Stimme, die schon gebebt hatte, brach. Tränen strömten ihr über die Wangen. »Und da habe ich das zweite Valium genommen, weil ich wieder weinen mußte -- oh, was für ein heilloses Durcheinander ist das... nimm mich in die Arme, Louis, halt mich fest...«
    Er nahm sie in die Arme und machte seine Sache gut, aber er kam sich vor wie ein Betrüger. Seine Gedanken suchten nach Möglichkeiten, diese Tränen für seine Zwecke auszunützen. Ein reizender Mensch, wahrhaftig. Hey-ho, let's go.
    »Wie lange geht das noch so weiter, Louis?« weinte sie. »Hört es jemals auf? Wenn er wiederkommen könnte, Louis, ich schwöre es, dann würde ich besser auf ihn aufpassen, so etwas würde

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