Friedhof der Kuscheltiere
Garroway. Leute standen draußen und gafften herein -- zu Dave und Frank Blair und dem guten alten J. Fred Muggs. Er sah sich um und entdeckte weitere Leute an den Fenstern. Was die Türen betraf, konnte er nichts tun, aber...
»Vorhänge zu!« fuhr er die Hilfsschwester an, die geschrien hatte.
Als sie sich nicht sofort bewegte, gab Miss Charlton ihr eine Ohrfeige. »Los, Mädchen.«
Die Hilfsschwester reagierte. Einen Augenblick später glitten grüne Vorhänge vor die Fenster. Die Oberschwester und Steve Masterton stellten sich instinktiv zwischen den Jungen und die Tür und versperrten damit die Aussicht so weit wie möglich.
»Harte Trage, Doktor?« fragte Joan Charlton.
»Ja, wenn wir sie brauchen«, sagte Louis und kniete neben Masterton nieder. »Bis jetzt konnte ich noch nicht einmal einen Blick auf ihn werfen.«
»Los«, sagte die Oberschwester zu dem Mädchen, das die Vorhänge zugezogen hatte und jetzt die Mundwinkel wieder mit den Fäusten zu diesem freudlosen, entsetzten Grinsen auseinanderzerrte. Sie sah Joan Charlton an und stöhnte: »Oh, ah.«
»Ja, oh, ah stimmt. Komm mit.« Sie versetzte dem Mädchen einen kräftigen Stoß, und es setzte sich in Bewegung; der rotweiß-gestreifte Rock rauschte ihr um die Beine.
Louis beugte sich über seinen ersten Patienten an der Universität von Maine in Orono.
Es war ein junger Mann von vielleicht zwanzig Jahren, und Louis brauchte keine drei Sekunden, um zur einzigen Diagnose zu gelangen, die von Bedeutung war. Der junge Mann lag im Sterben. Sein Kopf war zur Hälfte zerschmettert. Sein Genick war gebrochen. Aus der geschwollenen, verzerrten rechten Schulter ragte ein Schlüsselbein heraus. Aus seinem Kopf sickerten Blut und eine, gelbe, eitrige Flüssigkeit träge in den Teppich. Durch ein Loch im Schädel konnte Louis das Gehirn sehen, weißlichgrau und pulsierend. Es war, als blickte man durch ein zerbrochenes Fenster. Das Loch war ungefähr fünf Zentimeter breit; wenn er ein Kind im Schädel gehabt hätte, hätte er es fast zur Welt bringen können -- wie Zeus Athene seinem Haupt entspringen ließ. Daß er überhaupt noch lebte, war kaum glaublich. In Gedanken hörte er plötzlich Jud Crandall sagen: Manchmal konnte man spüren, wie er einen in den Arsch biß. Und seine Mutter: Tot ist tot. Er verspürte einen irren Drang zu lachen. Tot war tot, so war es. Daran war nicht zu rütteln, alter Freund.
»Die Ambulanz!« fuhr er Masterton an. »Wir...«
»Louis, die Ambulanz ist doch...«
»Himmel!« sagte Louis und schlug sich gegen die Stirn. Sein Blick wanderte zur Oberschwester. »Joan, was tun wir in einem solchen Fall? Die Campus-Polizei anrufen oder das EMMC?«
Joan machte einen verwirrten und erregten Eindruck -- was bei ihr wohl nur selten vorkam, dachte Louis. Aber ihre Stimme klang gefaßt genug, als sie antwortete: »Ich weiß es nicht, Doktor. So einen Fall hatten wir nicht, seit ich hier arbeite.«
Louis überlegte, so schnell er konnte. »Rufen Sie die Campus-Polizei an. Wir können nicht warten, bis das EMMC seine Ambulanz schickt. Wenn es sein muß, kann er in einem Feuerwehrwagen nach Bangor gebracht werden. Die haben wenigstens Martinshorn und Blaulicht. Los, Joan.«
Sie ging, aber erst nachdem Louis ihren mitfühlenden Blick erhascht und gedeutet hatte. Dieser junge Mann, sonnengebräunt und mit kräftigen Muskeln -- vielleicht weil er während des Sommers in einer Straßenbaukolonne gearbeitet, Häuser gestrichen oder Tennisstunden gegeben hatte --, dieser junge Mann, der jetzt nur eine rote Turnhose mit weißen Paspeln trug, würde sterben, einerlei was sie unternahmen. Er würde selbst dann sterben, wenn die Ambulanz mit laufendem Motor vor dem Haus gewartet hätte, als der Patient hereingebracht wurde.
Es war kaum zu glauben -- der Sterbende bewegte sich. Seine Augen flatterten und öffneten sich. Blaue Augen mit blutgeränderter Iris. Sie starrten ins Leere und sahen nichts. Er versuchte, den Kopf zu bewegen, und Louis versuchte, es zu verhindern, weil das Genick gebrochen war. Die entsetzliche Schädelverletzung schloß mögliche Schmerzen nicht aus.
Das Loch in seinem Kopf, oh Gott, das Loch in seinem Kopf.
»Was ist eigentlich passiert?« fragte er Steve -- eine törichte und sinnlose Frage unter den gegebenen Verhältnissen. Die Frage eines Zuschauers. Aber das Loch im Kopf des Mannes bestätigte ihm diese Rolle -- er war nichts als ein Zuschauer. »Hat ihn die Polizei gebracht?«
»Ein paar Studenten trugen ihn
Weitere Kostenlose Bücher