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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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in einer Decke herein. Wie es passiert ist, weiß ich nicht.«
    Das war das nächste, was er beachten mußte. Auch das gehörte zu seiner Verantwortung. »Schaffen Sie sie her«, sagte Louis. »Bringen Sie sie durch die andere Tür herein. Ich möchte, daß sie zur Stelle sind, aber sie brauchen hiervon nicht mehr zu sehen, als sie schon gesehen haben.«
    Masterton, offensichtlich erleichtert, sich vom Schauplatz des Geschehens entfernen zu können, ging zur Tür und öffnete sie; aufgeregtes, neugieriges Stimmengewirr drang herein, überlagert vom Heulen eines Martinshorns. Die Campus-Polizei war also da. Louis empfand eine Art erbärmlicher Erleichterung.
    Aus der Kehle des Sterbenden drang ein gurgelndes Geräusch. Er versuchte zu sprechen. Louis hörte Silben -- Laute zumindest --, aber die Worte selbst blieben verschliffen und undeutlich.
    Louis beugte sich über ihn und sagte: »Sie kommen schon wieder in Ordnung, mein Junge.« Er dachte an Rachel und Ellie, als er das sagte, und spürte ein heftiges, unangenehmes Schlingern im Magen. Er preßte die Hand vor den Mund und unterdrückte ein Aufstoßen.
    »Caaa«, sagte der junge Mann. »Caaaaa...«
    Louis sah sich um -- im Augenblick war er mit dem sterbenden Jungen allein. Undeutlich hörte er, wie Joan Charlton den Hilfsschwestern zurief, die harte Trage stünde im Schrank hinter Zimmer zwei. Louis bezweifelte, ob sie Zimmer Zwei von den Keimdrüsen eines Frosches unterscheiden konnten; schließlich war es ihr erster Arbeitstag. Sie hatten eine höllische Einführung in die Welt der Medizin erhalten. Auf dem grünen Spannteppich breitete sich jetzt um den zerschmetterten Kopf des Mannes ein größer werdender Kreis aus trübem Purpur; Hirnflüssigkeit trat gnädigerweise nicht mehr aus.
    »Auf dem Tierfriedhof«, krächzte der junge Mann -- und begann zu grinsen. Sein Grinsen hatte eine auffallende Ähnlichkeit mit dem hysterischen Grinsen der Hilfsschwester, die die Vorhänge zugezogen hatte.
    Louis starrte auf ihn herunter und weigerte sich zuerst zu glauben, was er gehört hatte. Dann kam ihm der Gedanke an eine akustische Halluzination. Er gab noch ein paar Laute von sich, und mein Unterbewußtsein verwandelte sie in etwas Zusammenhängendes, fütterte die Laute in meinen Erfahrungsbereich ein. Aber das war es nicht, was geschehen war, und einen Augenblick später war er gezwungen, sich das einzugestehen. Ein irrsinniges Entsetzen packte ihn, ließ ihn taumeln, und ihn überkam ein so heftiger Schauder, daß sich die Muskeln seiner Arme und auf seinem Bauch verkrampften; doch selbst jetzt weigerte er sich noch, es zu glauben. Gut, die Silben waren ebenso auf den blutigen Lippen des Mannes auf dem Teppich gewesen wie in seinen Ohren, doch das bedeutete nur, daß es sich nicht nur um eine akustische, sondern gleichzeitig um eine visuelle Halluzination gehandelt hatte.
    »Was haben Sie gesagt?« flüsterte er.
    Und diesmal kamen die Worte klar und so deutlich wie die eines sprechenden Papageis oder einer Krähe, der man die Zunge gespalten hat: »Es ist nicht der richtige Friedhof.«
    Die Augen waren leer, blicklos, blutunterlaufen, der grinsende Mund wie der eines toten Karpfens.
    Entsetzen durchwogte Louis, packte sein warmes Herz mit kalten Händen, preßte es zusammen. Es verringerte ihn, machte ihn zu immer weniger, bis er glaubte, aufspringen und vor diesem blutigen, zerschmetterten, sprechenden Kopf auf dem Boden des Warteraums die Flucht ergreifen zu müssen. Er war ein Mann ohne tiefere religiöse Bindungen, ohne jede Neigung zum Aberglauben oder zum Okkulten. Auf dies, was immer es sein mochte, war er schlecht vorbereitet.
    Er bekämpfte den Drang zur Flucht mit aller Kraft und zwang sich, noch näherzukommen. »Was haben Sie gesagt?« fragte er zum zweiten Mal.
    Das Grinsen. Das war schlimm.
    »Der Acker im Herzen eines Mannes ist steiniger, Louis«, flüsterte der Sterbende. »Ein Mann bestellt ihn... und läßt darauf wachsen, was er kann.«
    Louis, dachte er, und sein Bewußtsein vernahm nichts außer seinem Namen. Mein Gott, er hat mich beim Namen genannt.
    »Wer bist du?« fragte er mit zitternder, papierener Stimme. »Wer bist du?«
    »Indianer bringen meinen Fisch.«
    »Woher weißt du meinen...«
    »Bleib weg von uns. Wer weiß...«
    »Du...«
    »Caaa«, sagte der junge Mann, und jetzt spürte Louis den Tod in seinem Atem, innere Verletzungen, aussetzenden Herzschlag, Versagen, Zerfall.
    »Was?« Ihn überkam der verrückte Drang, ihn zu

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