Friedhof der Kuscheltiere
bei.
»Gut«, sagte Ellie, und damit war das Thema erledigt.
Louis, der darauf vorbereitet gewesen war, daß sie auf den Gedanken, Church auch nur eine Nacht außer Haus zu wissen, mit Tränen und sogar Hysterie reagieren würde, war leicht verblüfft über ihre sofortige Zustimmung. Dann begriff er, wieviel Sorgen sie sich gemacht hatte. Vielleicht hatte Rachel den Eindruck, den der Tierfriedhof auf sie gemacht hatte, doch nicht ganz falsch beurteilt.
Rachel selbst, die Gage sein Frühstücksei fütterte, warf ihm einen dankbar anerkennenden Blick zu, und Louis spürte, wie sich in seiner Brust etwas entkrampfte. Der Blick sagte ihm, daß die frostige Zeit vorüber war; diese besondere Kriegsaxt war begraben. Für immer, hoffte er.
Später, nachdem der große, gelbe Schulbus Ellie für den Vormittag verschlungen hatte, trat Rachel zu ihm, legte ihm die Arme um den Hals und küßte ihn sanft auf den Mund. »Das war wirklich lieb von dir«, sagte sie, »und es tut mir leid, daß ich so ein Biest war.«
Louis erwiderte ihren Kuß; trotzdem war ihm nicht recht wohl zumute. Ihm kam der Gedanke, daß Tut mir leid, daß ich so ein Biest war zwar nicht gerade eine Standardformel war, aber doch keineswegs etwas, das er noch nie gehört hatte. Gewöhnlich kam es, nachdem Rachel ihren Willen durchgesetzt hatte.
Inzwischen war Gage unsicher zur Vordertür getappt und blickte durch die unterste Glasscheibe auf die leere Straße. »Bus«, sagte er und zog dabei vergnügt sein rutschendes Windelhöschen hoch. »Ellie-Bus.«
»Er wächst schnell«, sagte Louis.
Rachel nickte. »Fast schneller, als mir lieb ist.«
»Warte, bis er aus den Windeln heraus ist«, sagte Louis. »Dann kann er aufhören zu wachsen.«
Sie lachte, und zwischen ihnen war alles wieder in Ordnung -- völlig in Ordnung. Sie trat zurück, rückte seine Krawatte zurecht und musterte ihn kritisch von oben bis unten.
»Zufrieden, Sergeant?«
»Du siehst gut aus.«
»Das weiß ich. Aber sehe ich aus wie ein Herzchirurg? Wie ein Zweihunderttausend- Dollar-im-Jahr-Mann?«
»Nein, nur wie der alte Louis Creed«, sagte sie und kicherte. »Das Rock-and-Roll- Tier.«
Louis warf einen Blick auf die Uhr. »Das Rock-and-Roll-Tier muß jetzt seine Boogie-Woogie-Schuhe anziehen und sich auf den Weg machen«, sagte er.
»Bist du nervös?«
»Ein bißchen.«
»Das brauchst du nicht«, sagte sie. »Du bekommst siebenundsechzigtausend Dollar im Jahr dafür, daß du Elastikbinden anlegst, Mittel gegen Grippe und Kater empfiehlst und den Mädchen die Pille verschreibst...«
»Nicht zu vergessen die Lotionen gegen Krätze und Läuse«, sagte Louis lächelnd. Eines der Dinge, die ihm bei seinem ersten Rundgang durch die Krankenstation aufgefallen waren, waren die Vorräte an solchen Mitteln, die ihm gewaltig vorkamen -- einem Militärlazarett angemessener als der Krankenstation einer mittelgroßen Universität.
Joan Charlton, die Oberschwester, hatte zynisch gelächelt. »Die Unterkünfte außerhalb des Campus sind zum Teil ziemlich verwahrlost. Sie werden es erleben.«
Das würde er wohl.
»Ich wünsche dir einen guten Tag«, sagte sie und küßte ihn hinhaltend. Doch als sie sich von ihm löste, sagte sie mit gespieltem Ernst: »Und denk um Gottes willen daran, daß du Abteilungsleiter bist und nicht Assistent oder Famulus im zweiten Studienjahr.«
»Jawohl, Doktor«, sagte Louis demütig, und wieder lachten sie beide. Einen Augenblick lang dachte er daran, sie zu fragen: War es Zelda, Baby? War es das, was dir unter die Haut ging? Ist das die Tiefdruckzone? Zelda und die Art, wie sie starb? Aber er würde sie nicht danach fragen. Als Arzt wußte er eine Menge Dinge. Die Tatsache, daß der Tod ebenso natürlich war wie die Geburt, war vielleicht das wichtigste; aber daß man sich nicht an einer Wunde zu schaffen macht, die endlich zu heilen begonnen hat, war bei weitem nicht das unwichtigste.
Deshalb stellte er keine Fragen, küßte sie noch einmal und ging.
Es war ein guter Start, ein guter Tag. Maine prunkte spätsommerlich, der Himmel war blau und wolkenlos, das Thermometer zeigte die ideale Temperatur von einundzwanzig Grad. Als er sich am Ende der Auffahrt davon überzeugte, daß er freie Fahrt hatte, dachte Louis daran, daß er bisher noch keine Spur von dem Herbstlaub gesehen hatte, das so prachtvoll sein sollte. Aber er konnte warten.
Er lenkte den Honda Civic, den sie als Zweitwagen gekauft hatten, auf die Straße zur Universität und gab Gas.
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