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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und für die nächsten acht Tage seinem Blick entschwanden. Schon jetzt fühlte er sich einsam und hatte Sehnsucht nach ihnen. Er trat an das Fenster, an dem Ellie gestanden hatte, die Hände in den Jackentaschen, und sah zu, wie das Gepäck eingeladen wurde.
    Die Wahrheit war simpel. Nicht nur Mr., sondern auch Mrs. Irwin Goldman aus Lake Forest hatten Louis von Anfang an nicht gemocht. Er kam aus dem falschen Stadtteil; aber das war nur der Ausgangspunkt. Es gab Schlimmeres: er erwartete allen Ernstes von ihrer Tochter, daß sie ihn während seines Studiums unterstützte -- eines Studiums, das er mit größter Wahrscheinlichkeit nicht einmal zu Ende bringen würde.
    Damit hätte Louis sich abfinden können, und er hatte es auch getan. Doch dann geschah etwas, was Rachel nicht wußte und auch nie erfahren würde -- jedenfalls nicht von Louis. Irwin Goldman hatte ihm angeboten, die gesamten Studienkosten zu bezahlen. Mit diesem »Stipendium« (Goldmans Wort) war die Bedingung verknüpft, daß er seine Verlobung mit Rachel sofort löste.
    Louis Creed war für die richtige Reaktion auf eine solche Gemeinheit nicht gerade in der besten Phase seines Lebens gewesen, aber derart melodramatische Vorschläge (oder Bestechungsversuche, um das Kind beim Namen zu nennen) werden einem nur selten gemacht, wenn man gerade in der besten Phase ist -- was im Alter von etwa fünfundachtzig der Fall sein mag. Einmal war er erschöpft. Er verbrachte jede Woche achtzehn Stunden in Vorlesungen, weitere zwanzig über seinen Büchern und weitere fünfzehn als Kellner in einer Pizzakneipe nicht weit vom Whitehall-Hotel Außerdem war er nervös. Das merkwürdig joviale Gebaren, das Mr. Goldman an diesem Abend zur Schau trug, stand in striktem Widerspruch zu seiner sonstigen Kälte, und als Goldman ihn auf eine Zigarre in sein Arbeitszimmer bat, glaubte Louis gesehen zu haben, daß er mit seiner Frau einen Blick wechselte. Später -- viel später, als er einigen zeitlichen Abstand gewonnen hatte -- kam Louis der Gedanke, daß Pferde die gleiche unbestimmte Angst verspüren mußten, wenn sie den ersten Rauch eines Präriefeuers rochen. Er war darauf gefaßt, daß ihm Goldman eröffnen würde, er wisse, daß Louis mit seiner Tochter geschlafen hatte.
    Als Goldman ihm statt dessen dieses unglaubliche Angebot machte -- er ging sogar so weit, wie ein Wüstling in einer Farce von Noel Coward, sein Scheckbuch aus der Tasche seiner Hausjacke zu ziehen und damit vor seinem Gesicht zu wedeln --, war Louis in die Luft gegangen. Er warf Goldman vor, er versuchte, seine Tochter wie ein Museumsstück zu konservieren, er dächte an niemanden als nur an sich selbst, und er wäre ein arroganter, rücksichtsloser Bastard. Lange Zeit mußte vergehen, bevor er sich eingestand, daß ein Teil seines Zorns Erleichterung gewesen war.
    All diese kleinen Einblicke in Irwin Goldmans Charakter hatten, obwohl sie vielleicht zutrafen, keine diplomatisch versöhnliche Wirkung. Jede Ähnlichkeit mit Noel Coward verschwand; der Humor, der im Rest ihres Gesprächs steckte, war wesentlich vulgärerer Art. Goldman sagte, er solle verschwinden, und wenn er Louis noch einmal auf seiner Schwelle sähe, würde er ihn erschießen wie einen tollen Hund. Louis sagte, Goldman sollte sein Scheckbuch nehmen und es sich in den Hintern stecken. Goldman sagte, er hätte Stromer in der Gosse gesehen, in denen mehr steckte als in Louis Creed. Louis sagte, Goldman könnte sich seine gottverdammte BankAmericard und seine American Express Gold Card gleich neben sein Scheckbuch stecken.
    Von einem vielversprechenden ersten Schritt zu einem guten Verhältnis zu seinen künftigen Schwiegereltern war kaum die Rede.
    Schließlich brachte Rachel eine Versöhnung zustande (nachdem jeder der beiden Männer Gelegenheit gehabt hatte, seine Worte zu bereuen, obwohl keiner von ihnen auch nur eine Spur von seiner Ansicht über den anderen abgegangen war). Melodramatische Auftritte hatte es nicht mehr gegeben, und erst recht kein theatralisches Von-heute-ab-habe-ich-keine-Tochter-mehr. Goldman hätte wahrscheinlich eher eine Ehe seiner Tochter mit dem Glöckner von Notre-Dame ertragen, als daß er sie verstoßen hätte. Dennoch hatte die Miene, die Irwin Goldman an dem Tag, als Louis Rachel heiratete, über dem Kragen seines Cut trug, eine auffallende Ähnlichkeit mit Gesichtern, die er auf ägyptischen Sarkophagen gesehen hatte. Ihr Hochzeitsgeschenk waren ein Service für sechs Personen aus Spode-Porzellan

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