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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und ein Mikrowellenherd gewesen. Kein Geld. Während des größten Teils der Zeit, in der sich Louis mehr schlecht als recht durchs Studium schlug, hatte Rachel als Verkäuferin in einem Geschäft für Damenbekleidung gearbeitet. Und von jenem Tag bis auf den heutigen wußte Rachel nur, daß das Verhältnis zwischen ihrem Mann und ihren Eltern »gespannt« war -- vor allem zwischen Louis und ihrem Vater.
    Louis hätte seine Familie nach Chicago begleiten können; allerdings hätte er wegen seiner Arbeit an der Universität drei Tage früher zurückfliegen müssen als Rachel und die Kinder. Das wäre keine große Strapaze gewesen -- ganz im Gegensatz zu vier Tagen mit Imhotep und seiner Frau, der Sphinx.
    Die Kinder hatten, wie es oft geschieht, seine Schwiegereltern erheblich auftauen lassen. Louis vermutete, daß er selbst die völlige Aussöhnung herbeiführen konnte, indem er so tat, als hätte er jenen Abend in Goldmans Arbeitszimmer vergessen. Es würde nicht einmal etwas ausmachen, daß Goldman wußte, daß er nur so tat. Tatsache war jedoch (und er hatte zumindest den Mut, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein), daß er diese Versöhnung im Grunde nicht wollte. Zehn Jahre waren eine lange Zeit, aber doch nicht lang genug, um den schleimigen Geschmack zu beseitigen, den er im Mund gespürt hatte, als der alte Mann, während sie mit einem Glas Brandy in seinem Arbeitszimmer saßen, in seine idiotische Hausjacke gegriffen und das Scheckbuch herausgezogen hatte. Er war erleichtert gewesen, daß Goldman von den Nächten -- fünf insgesamt --, die er und Rachel in seinem schmalen, durchgelegenen Bett verbracht hatten, nichts wußte, aber sein Abscheu über den Überraschungscoup stand auf einem ganz anderen Blatt, und die Jahre zwischen damals und jetzt hatten daran nichts geändert.
    Er hätte mitfliegen können, aber er zog es vor, seinem Schwiegervater seine Enkelkinder, seine Tochter und einen Gruß zu schicken.
    Die Delta 727 rollte von der Rampe fort, wendete -- und dann entdeckte er Ellie heftig winkend an einem der vorderen Fenster. Louis winkte lächelnd zurück, und dann hob jemand -- Ellie oder Rachel -- Gage ans Fenster. Louis winkte, und Gage winkte gleichfalls -- vielleicht sah er ihn, vielleicht ahmte er nur Ellie nach.
    »Guten Flug«, murmelte er, zog dann den Reißverschluß seiner Jacke zu und ging hinaus auf den Parkplatz. Hier heulte und pfiff der Wind mit solcher Kraft, daß er ihm fast die Mütze vom Kopf gerissen hätte; er hielt sie mit einer Hand fest. Er hantierte gerade mit seinen Schlüsseln, um die Wagentür aufzuschließen, als das Flugzeug mit donnernden Triebwerken hinter dem Abfertigungsgebäude abhob und die Nase dem harten, blauen Himmel entgegenstreckte.
    Louis winkte noch einmal; jetzt fühlte er sich erst recht einsam und auf geradezu lächerliche Weise sogar den Tränen nahe.
    Er war noch immer niedergeschlagen, als er am gleichen Abend die Route 15 überquerte, nachdem er mit Jud ein paar Bier getrunken hatte -- Norma hatte ein Glas Wein getrunken, was Dr. Weybridge erlaubt und sogar befürwortet hatte. In Anbetracht der Jahreszeit hatten sie in der Küche gesessen.
    Jud hatte den kleinen Ofen tüchtig angeheizt, und sie hatten um ihn herum gesessen; das Bier war kalt und die Wärme angenehm gewesen, und Jud hatte erzählt, wie die Micmac-Indianer vor zweihundert Jahren eine Landung der Briten bei Machias verhindert hatten. In jener Zeit war mit den Micmac nicht gut Kirschen essen, sagte er und setzte dann hinzu, wahrscheinlich wären einige Anwälte für Bodenrecht der Ansicht, daß sich daran nichts geändert hätte.
    Es hätte eigentlich ein schöner Abend sein müssen, aber Louis dachte an das leere Haus, das auf ihn wartete. Als er den Rasen überquerte und das gefrorene Gras unter seinen Füßen knirschen hörte, begann das Telefon im Haus zu läuten. Er setzte sich in Trab, öffnete die Vordertür, eilte durchs Wohnzimmer (wobei er einen Zeitungsständer umwarf) und schlitterte dann fast durch die ganze Küche, weil seine vereisten Schuhe auf dem Linoleum keinen Halt fanden. Er riß den Hörer von der Gabel.
    »Hallo?«
    »Louis?« Rachels Stimme, ein wenig fern, aber völlig klar. »Wir sind angekommen. Wir haben es geschafft. Keinerlei Probleme.«
    »Wunderbar«, sagte er; er setzte sich hin, um sich mit ihr zu unterhalten, und dachte dabei: Ich wollte bei Gott, du wärst hier.

 22
    Das Thanksgiving-Essen, das Jud und Norma aufgetischt hatten, war gut gewesen. Als

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