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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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warum mußten wir uns überhaupt so ein blödes, vögelndes Katervieh anschaffen?
    Aber er vögelt ja nicht mehr. Und das hätte ihn am Leben erhalten sollen.
    »Church?« rief er, aber da war nur der Brenner, der dröhnte und dröhnte und Dollars verschlang. Die Couch im Wohnzimmer, auf der Church neuerdings den größten Teil seiner Zeit verbracht hatte, war leer. Er lag auch nicht unter einem der Heizkörper. Louis klapperte mit seinem Futternapf -- das einzige Geräusch, das unfehlbar bewirkte, daß Church angerannt kam, wenn er in Hörweite war. Aber diesmal kam kein Kater angerannt -- und Louis befürchtete, daß er es auch nie wieder tun würde.
    Er nahm Mütze und Jacke und wandte sich zur Tür. Dann machte er kehrt. Der Stimme seines Herzens folgend, öffnete er den Schrank unter der Spüle und hockte sich nieder. Drinnen lagen zwei Arten von Plastikbeuteln -- kleine, weiße für die Abfallbehälter im Haus und große, grüne für die Mülltonnen. Louis nahm eine der letzteren. Church hatte zugenommen, seit er kastriert worden war.
    Er stopfte den Beutel in eine der Seitentaschen seiner Jacke; die kalte Plastikglätte an seinen Fingern war ihm zuwider. Dann öffnete er die Vordertür, um über die Straße zu Jud hinüberzugehen.
    Es war etwa halb sechs. Die Dämmerung ging zu Ende. Die Landschaft wirkte tot. Der Sonnenuntergang zeichnete eine eigenartig orangefarbene Linie über den Horizont jenseits des Flusses. Der Wind heulte direkt die Route 15 entlang, ließ Louis' Wangen taub werden und peitschte die weißen Wolken seines Atems hinweg. Er schauderte, aber nicht vor Kälte. Es war ein Gefühl der Einsamkeit, das ihn schaudern ließ. Es war stark und durchdringend, und er sah keine Möglichkeit, es mit einer Metapher zu benennen. Es war gesichtslos. Er fühlte sich auf sich allein gestellt, von nichts berührt und nichts berührend.
    Er sah Jud jenseits der Straße, eingehüllt in seinen dicken, grünen Dufflecoat, das Gesicht versunken im Schatten der pelzgesäumten Kapuze. Wie er da auf seinem gefrorenen Rasen stand, sah er aus wie eine Statue; noch ein weiterer toter Gegenstand in dieser Landschaft im Zwielicht, in der kein Vogel sang.
    Louis trat auf die Straße, und dann winkte Jud -- winkte ihn zurück. Schrie etwas, das Louis über dem durchdringenden Heulen des Windes nicht verstehen konnte. Louis trat zurück; plötzlich war ihm bewußt geworden, daß sich das Heulen des Windes verstärkt hatte. Einen Augenblick später blökte ein Signalhorn, und ein Orinco-Laster dröhnte so dicht an ihm vorbei, daß seine Hose und seine Jacke flatterten. Fast wäre er in das verdammte Ding hineingelaufen.
    Diesmal blickte er nach rechts und links, bevor er die Straße überquerte. Er sah nur die Rücklichter des Tankwagens, die im Zwielicht verschwanden.
    »Ich fürchtete schon, der Laster würde Sie erwischen«, sagte Jud. »Passen Sie auf, Louis.« Selbst aus der Nähe konnte Louis Juds Gesicht nicht erkennen, und er wurde das unangenehme Gefühl nicht los, daß er auch jemand anders hätte sein können -- jemand x-beliebiges.
    »Wo ist Norma?« fragte er, ohne den Blick auf das zu Juds Füßen liegende Fellbündel zu senken.
    »Sie ist zum Thanksgiving-Gottesdienst in die Kirche gegangen«, sagte Jud. »Ich nehme an, sie bleibt zum Essen da, und wahrscheinlich wird sie tüchtig zulangen. Ihr Appetit hat sich sehr gebessert.« Ein Windstoß schob die Kapuze für einen Augenblick zurück, und Louis sah, daß es tatsächlich Jud war -- wer hätte es auch sonst sein sollen? »Das ist natürlich nur ein Vorwand für einen Kaffeeklatsch«, sagte Jud. »Nach dem reichlichen Mittagessen brauchen sie nicht mehr als ein paar Sandwiches. Sie wird gegen acht zurück sein.«
    Louis kniete nieder, um sich die Katze anzusehen. Laß es nicht Church sein, wünschte er inbrünstig, als er den Kopf des Tieres sanft umdrehte. Laß es die Katze von jemand anderem sein, laß Jud sich geirrt haben.
    Aber natürlich war es Church. Er war weder verstümmelt noch entstellt; er war nicht von einem der großen Tankwagen oder Sattelschlepper überfahren worden, die die Route 15 entlangbrausten. (Was hatte dieser Orinco-Laster eigentlich an Thanksgiving hier zu suchen?) Seine Augen standen halb offen, glasig wie Murmeln. Aus seinem Maul, das gleichfalls offenstand, war etwas Blut herausgesickert. Nicht viel Blut, gerade genug, um den weißen Fleck auf seiner Brust zu verfärben.
    »Ihr Kater, Louis?«
    »Meiner«, bestätigte er und

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