Friedliche Zeiten - Erzählung
daß ein Haus innen so voller Schnee sein kann, es sah wie in einem Märchen aus, wie ein Kristallpalast, aber Wasa sagte, du irrst dich, das war kein Schnee, das war alles bloß Staub, ich sagte, es war kein Staub, hast du nicht die Eisblumen an den Fenstern gesehen, und Wasa sagte, das war doch erst später in dem einen Zimmer, das sie benutzen, weil die anderen voller Staub sind, ich sagte, sie konnten nicht heizen, damit die Roten nicht sehen, daß sie da sind, und Wasa sagte, was haben sie eigentlich zu essen gehabt, und dann dachten wir nach und kamen darauf, daß es in dem Haus nichts zu essen gab und der Mann die Gedichte schrieb, ohne zwischendurch zu essen. Schließlich läßt er die Zweitfrau von dem Geldsack retten, den sie im ersten Teil fast erschossen hätte und der den ganzen Film über ein Schwein ist. Er schickt sie im Schlitten zum Bahnhof vor und sagt ihr, sie sollten schon mal vorfahren, er käme gleich nach, damit sie sich alle retten könnten, aber er kommt nicht nach, weil er sich nicht von diesem Schwein retten lassen will, und später fährt er mit der Straßenbahn, sieht auf der Straße die Frau und will ihr hinterher, aber sie ist schon weg, und er fällt auf die Straße und stirbt, Herzschlag; und dann ist zuletzt nur noch ein Mann übrig, der immer zwischendurch im Film schon vorkam, und zwar immer dann, wenn ich gerade vergessen hatte, daß es ihn gibt, und bis ich ihn erkannt hatte, hatte ich wieder nichts verstanden, außer daß er ein Roter ist, und schließlich ist er als einziger übrig, und weil alle anderen tot sind, versucht er die Tochter zu finden, und er fragt eine Frau in einer Fabrik, die im Waisenhaus war, ob sie die Tochter ist, aber die Frau kann sich an nichts erinnern. Wasa sagte, sie ist es, schließlich spielt sie doch Balalaika, und da fiel mir wieder ein, wie der Film angefangen hatte: Ein Kind in Floris Alter ist auf einem Friedhof, seine Mutter ist gestorben und wird beerdigt, das Kind schaut in den Sarg, und auf der Leinwand ist das Gesicht von der toten Mutter in Breitwand, und dann erbt er die Balalaika.
Das alles war schrecklich und riesig gewesen, und wir bekamen es niemals richtig zusammen. Im Auto auf dem Heimweg schon hatten wir angefangen, den Vater danach zu fragen, obwohl wir wußten, daß es uns nicht viel weiterhelfen würde, und er hatte uns den Krieg erklärt und die Revolution mit den Weißen und dem Zaren und den Roten; zuletzt hatte er gesagt, so also fing der Sozialismus an, und wenn man es jetzt so von hier nach rückwärts betrachtet, hätte man im Grunde von Anfang an sehen können, daß sie ihn nicht zum Laufen bringen würden, sondern verbrannte Erde machen, aber vielleicht konnte man es am Anfang noch gar nicht sehen, weil man am Anfang ja drinsteckt, und in der Sache wäre er eigentlich sehr gern auf der Seite der Roten gewesen, vor allem gegen die Weißen wäre er unbedingt auf der Seite der Roten gewesen, aber jetzt, wo man das alles gesehen hat und weiß, kann man es nicht mehr. Wir hatten versucht, gerade das möglichst lieber nicht zu sehen, weil es zu groß war, wenn man es auf Breitwand sah, aber manches war so plötzlich und überraschend passiert, daß wir nicht schnell genug die Augen zumachen konnten, bevor es über uns kam, es war überall um uns herum und zehnmal so groß wie wir selbst. Zuletzt sagte der Vater, das ist wirklich einer der besten Hollywoodschinken, die sie da drüben gemacht haben; und wir erfuhren, daß es noch zwei, drei andere gute Hollywoodschinken gab, einen darüber, wie in Rom die Gladiatoren mit Löwen kämpften, und noch einen anderen über den amerikanischen Bürgerkrieg, und daß wir die auch bei Gelegenheit sehen könnten.
Flori sagte im Auto noch einmal, hoffentlich kommt der Krieg nicht hierher, und der Vater lachte und sagte, keine Angst, dieser Krieg kommt ganz sicher nicht mehr hierher, der ist nämlich aus und vorbei, und den nächsten Krieg haben wir auch schon längst hinter uns, schon seit länger als zwanzig Jahren; darum brauchte Flori sich also keine Sorgen zu machen; aber dann sagte der Vater noch, daß schon der letzte Krieg inzwischen technisch veraltet wäre, solche Kriege führt heute keiner mehr, sagte er, jedenfalls nicht als Weltkrieg, und die Weltmächte passen schon auf, daß keine anderen Kriege als Weltkriege mehr geführt würden; sobald irgendwelche kleinen Länder anfangen, untereinander Krieg zu führen, mischt sich gleich eine Weltmacht ein, und wenn sich die eine
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