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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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ausprobieren. Gibt jetzt eins in unserem Haus, im Keller.«
    »Dampfbad«, sagte ich und erschrak über meine eigene Stimme. Es klang wie Massenkarambolage, wie Krebs im Endstadium, wie Scheidungsklage.
    »Du siehst aus«, sagte er nachdenklich, »als könnte dir eine Session auch ganz guttun. So ganz relaxt in der heißen Luft.«
    Ich schüttelte heftig den Kopf. »Das ist überhaupt nicht mein Ding. Ich bin mehr so der Sauna-Typ. Trockene Hitze.«
    Jan lehnte sich zurück, hob die Arme und verschränkte sie hinter dem Kopf.
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, sagte er, »käme auf einen Versuch an.«
    »Du meinst … ich, bei dir? In deinem Dampfbad?«
    Schon wieder waren alle Augen auf uns gerichtet. Das hörte ja gar nicht mehr auf. Im nächsten Moment stand er auf, ein wenig hektisch, zuckte die Schultern. »War ja nur so eine Idee«, sagte er.
    Mein Hintern hob sich ebenfalls um ein paar Zentimeter, ich konnte gar nichts dagegen tun. Es war, als würde mich ein unsichtbares Gummiband mit Jan verbinden, das mich willenlos in seine Richtung zog. Dumm nur, dass das Gummiband in meinem Körper und die Logik meines Kopfes so wenig voneinander wissen wollten. Nach ein paar Sekunden war der Bann gebrochen, und das Kunststoffpolster gab einen leisen Pupser von sich, als ich mich wieder zurücksinken ließ. Hoffentlich hatte es niemand gehört.
    Ich sah ihm nach, wie er ging. Wahrscheinlich würde ich ihn nie wiedersehen.
    Ich fühlte, wie mich über den Tisch hinweg jemand beobachtete, und hob den Blick. Ann rührte bedächtig in ihrer Tasse, ein kleines, improvisiertes Konzert für Edelstahl und Porzellan.
    »Es geht mich ja nichts an«, sagte sie, »aber wieso musst du eigentlich so dringend weg von hier? Findest du’s so schrecklich, dass du kein Zimmer für dich allein hast?«
    »Nein, nein.« Ich hob entschuldigend die Hände. »Das hat über haupt nichts mit dir zu tun. Nein, meine Tochter ist in Schwierigkeiten.«
    »Du hast ein Kind?« Sie blickte mich an, als hätte ich etwas absolut Außergewöhnliches und Faszinierendes gesagt. Das verblüffte mich. Hätte ich ihr gar nicht zugetraut, dass sie sich für mein Familienleben interessieren könnte. Ann war der Typ Frau, der sich in Gegenwart eines Säuglings erst mal eine Zigarette ansteckte. Auch wenn sie zurzeit gar nicht rauchte, wie sie mir heute Morgen erzählt hatte.
    »Ein Kind, das lass Ronja mal nicht hören«, sagte ich. »Die ist sechzehn und hält sich für sehr erwachsen. Aber sie ist es nicht, weit entfernt davon.«
    Ann klapperte schon wieder in ihrer Tasse herum.
    »Woher weißt du das?«
    »Na hör mal, ich bin ihre Mutter.«
    Ann grinste und nickte, als sei ich eben in eine Falle getappt, ohne es zu ahnen. Sie sah dabei so überheblich aus, dass ich mich schon wieder über sie ärgerte.
    »Eben«, sagte sie.
    »Ich kann dir nicht folgen.«
    »Dachte ich mir. Ist aber gar nicht so kompliziert. Was wusste deine Mutter von dir, als du sechzehn warst? Ich wette, nicht das Mindeste.«
    Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie ich mit sechzehn gewesen war. Es war nicht das erste Mal in letzter Zeit, ich dachte häufig darüber nach. Vielleicht hätte es mir Ronja nähergebracht. Aber je mehr mir einfiel, desto größer schien die Kluft.
    Mit sechzehn hatte ich mich für Volleyball interessiert und war als Letzte meiner Freundinnen immer noch zum Reiten gegangen. Ich hatte mich im Kino gelangweilt, wenn alle anderen mit star rem Blick Tom Cruise anschmachteten, hatte noch immer die Namen meiner Lieblingspferde auf meine Unterrichtsordner ge schrieben statt die Namen angesagter Bands oder Schauspieler. Mit allem war ich die Letzte gewesen: die Letzte, die ihre feste Zahn spange loswurde, die Letzte, die alle vier Wochen ein Anrecht auf eine Entschuldigung im Sport hatte. Nur in Mathe und Physik war ich unter den Ersten gewesen, hatte mich sicher gefühlt im fest gefügten Gebäude aus Zahlen und Regeln und Formeln.
    Manchmal fragte ich mich, ob meine Probleme mit Ronja auch daher kamen, dass ich sie heimlich beneidete. Um die Unbefangenheit, mit der sie sich in ihrem Körper zu Hause zu fühlen schien, wo er doch nichts war als ein Gebäude in der schwersten Umbauphase. Darum, dass die Jungen bei ihr Schlange standen. Was sie bei mir nie getan hatten. Mit sechzehn schon gleich gar nicht.
    Das Schlimme an diesem Fax heute Morgen war nicht sein In halt gewesen. Zwar hatte es mich überrascht, dass Ronja es tat sächlich noch einmal versuchte mit

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