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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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ist nur … ich selbst kann bei dem Thema ja nicht mitreden. Lange Beziehungen. Vielleicht funktionieren die nur so, wenn nicht jeder alles vom anderen weiß. Wenn man einander noch so etwas zugesteht wie ein eigenes Leben. Wenn man bei sich bleibt.«
    »Was soll das?«, fragte ich immer noch verärgert und stützte die Hände in die Hüften. Jetzt sah ich aus wie ein Kuschelschaf in einer verunglückten Modelpose.
    »Ich mach mir nur meine Gedanken«, sagte Ann bedächtig und quietschte wieder mit den Sprungfedern. »Es gibt ja so viele Modelle wie Menschen. Ich hab da zum Beispiel diesen Freund, der hat nach vielen Jahren Beziehung seine Freundin verlassen, weil eine andere Frau eine Tochter von ihm bekommen hat.«
    »Das Modell kenn ich«, fiel ich ihr ins Wort. »Ist sehr beliebt bei Männern ab vierzig mit einem Jahreseinkommen von mindestens hunderttausend Euro.«
    »Nein, jetzt lass mich doch mal ausreden«, sagte Ann. »Also, am Ende hat das dann doch nicht so gut geklappt mit den beiden. Bis sie etwas gefunden haben, wie man das leben kann, auch mit dem Kleinen. Jetzt pendelt er im Wochentakt zwischen beiden hin und her und sagt, das ist zwar anstrengend, aber so ist er in Kontakt zu ganz verschiedenen Seiten seiner Person.«
    »Wieso der Kleine?«, fragte ich irritiert. Ich begann unter der Schafwolle zu schwitzen.
    Ann sah mich ebenfalls irritiert an.
    »Der Kleine«, erklärte ich, »du hast gesagt, der Kleine. Hat die Frau nicht eine Tochter bekommen?«
    Unsere Blicke im Spiegel trafen sich. Ann stutzte, dann sah sie zur Seite. »Dann hab ich mich wohl versprochen. Ich mein nur. War bloß ein Beispiel, wie unterschiedlich die Wege manchmal sind, die Menschen so gehen können.«
    Entschlossen schlüpfte ich aus der Jacke.
    »Ann«, sagte ich, »es ist okay. Du musst mir nicht mein schlechtes Gewissen ausreden. Das lass mal meine Sorge sein.«
    Sie sah mich eine Weile versonnen an, dann erhob sie sich ein wenig schwerfällig und trat neben mich vor den Schrank.
    »So gehst du jedenfalls nicht«, sagte sie und deutete auf meine Jacke.
    »Und wie dann?«, fragte ich genervt.
    Statt einer Antwort öffnete Ann unseren gemeinsamen Schrank und schob einige Kleiderbügel hin und her. Die gesamte rechte Seite hatte sie in Beschlag genommen, ich hatte meine Sachen in die Fächer auf der linken Seite geräumt, schließlich hatte ich nichts dabei, das hängen musste. Dann zog sie triumphierend etwas hervor, das im ersten Moment aussah wie das rote Tuch, mit dem Toreros ihre Kampfstiere reizten.
    »So«, sagte sie und reichte mir einen Bügel.
    Der rote Mini. Es war der rote Wollminirock, in dem Ann zu unserer ersten Wattwanderung erschienen war.
    »Ist nicht dein Ernst. Das … das geht doch nicht«, stammelte ich. Aber Ann ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.
    »Wieso geht das nicht? So was machen Mädchen doch, Kleider tauschen vor der großen Samstagabendparty.«
    »Eben. Mädchen. Und ich bin kein Mädchen.«
    »Genau das ist dein Problem.«
    Ich wollte schon wieder in die Luft gehen, aber im letzten Moment verschluckte ich meine Worte. Ann provozierte gern, aber sie hatte auch recht, wenigstens ein kleines bisschen. Das Mäd chen, das ich einmal gewesen war, war ja nicht tot, es war nur irgendwo ganz tief drinnen versteckt, dort, wo ich es schon seit Jahren nicht mehr erreichen konnte. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht sollte ich mal wieder den Kontakt erneuern zwischen dem Mädchen und mir. Ihm eine offizielle Freundschaftsanfrage schicken und schauen, ob es reagierte.
    »Mach mal«, sagte Ann im Befehlston, »zieh dich aus.«
    Selbst wenn ich im Stillen damit gerechnet hatte, dass demnächst jemand diesen Satz zu mir sagen würde: Ich hätte nicht gedacht, dass es eine Frau sein würde.
    Ich gluckste nervös in mich hinein, dann legte ich Jacke und Rock vorsichtig nebeneinander auf dem Bett ab und hantierte an meinem Reißverschluss. Während ich mich aus der Jeans schälte, fiel mein Blick auf meinen Slip. Ein Slip, der dieses Wort nicht einmal verdiente. Das, was ich anhatte, war bestenfalls eine Unterhose. Und mit dem Begriff »Schlüpfer« hätte man ihr auch nicht unrecht getan.
    Ann hatte meinen Blick bemerkt und grinste.
    »Mach dir deshalb mal keinen Kopf, das wird total überschätzt. Die meisten Kerle, die ich kenne, interessieren sich nicht für diese Verpackung. Sondern wenn sie mal so weit gekommen sind, nur noch für das, was drin ist.«
    »Ann!« Ich sah sie entsetzt an.
    »Ist doch

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