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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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die sie in den letzten Tagen mehr als vermisst hatte.
    Zunächst räumte sie die Küche auf, dann setzte sie sich in ihr Büro und rief ihre Mails ab. Es waren eine Menge, vor allem Glückwünsche von Freunden, Kollegen und Bekannten. Es dauerte eine Weile, bis sie ihr Postfach sortiert hatte.
    Anschließend machte sie sich daran, den Antrag auf Kindergeld, den man ihr in der letzten Woche bereits zugeschickt hatte, auszufüllen. Morgen wollten Tom und sie nach Niebüll fahren und Niklas offiziell anmelden. Dabei konnte sie gleich den Antrag einreichen. Doch irgendwie gelang es ihr nicht, sich auf die Felder auf dem Formular richtig zu konzentrieren. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab, und zwar zu den Vorfällen des gestrigen Nachmittags.
    Miriam Kuipers hatte so verzweifelt gewirkt. Wobei verzweifelt nicht das richtige Wort war. Die Sorge um ihr Baby schien ihr langsam den Verstand zu rauben, oder waren es die Medikamente, die sie sicherlich immer noch bekam? Was aber, wenn das Baby nicht gefunden wurde? Oder noch schlimmer, vielleicht sogar schon tot war?
    Sie selbst hielt den Gedanken daran nicht aus und stand auf, um nach Niklas zu sehen. Der schlief friedlich in seiner Wiege. Doch sie nahm ihn trotzdem auf den Arm. Er knötterte ein wenig, schlief aber weiter.
    Vorsichtig zog sie ihm eine Jacke und eine Mütze an und legte ihn in den Wagen. Sie musste raus an die frische Luft. Auf andere Gedanken kommen.
    Mit forschem Schritt schob sie Richtung Schule. »Wollen doch mal sehen, ob dein Patenonkel auch schön fleißig ist!«
    Haie war gerade dabei, mit einem Spezialmittel die Schmiererei von der Eingangstür zu scheuern. Wegen der beißenden Dämpfe trug er einen Mundschutz, den er sich jedoch sofort herunterriss, als er Marlene über den Hof kommen sah.
    »Komm nicht so dicht heran. Das ist nicht gut für euch!«, warnte er und ging stattdessen zu ihr herüber. Er streifte sich die Handschuhe ab und warf einen Blick auf den schlafenden Niklas.
    »Sag mal, ist der schon gewachsen?« Haie hatte den Kleinen zwar erst kürzlich gesehen, aber irgendwie kam er ihm heute verändert im Gesicht vor. War die Nase nicht letztes Mal kleiner gewesen und die Wangen nicht ganz so pausbäckig? Die Risumer Luft schien seinem Patenkind auf jeden Fall gut zu bekommen, denn es gedieh, wie man sah, prächtig.
    Marlene zuckte jedoch mit den Schultern. Ihr war keine Veränderung an dem Kind aufgefallen, aber sie sah ihn ja auch ständig. Wie es Miriam Kuipers wohl ergehen würde, wenn sie ihr Kind wiedersah? Immerhin waren mittlerweile mehrere Tage vergangen, seitdem der Kleine verschwunden war. Hoffentlich hielt sie durch.
    »Ja, ich habe gehört, dass sie zu Hause ist«, entgegnete Haie auf Marlenes Bericht über den gestrigen Vorfall.
    »Sie hat irgendetwas davon gemurmelt, es seien diese Nazis gewesen, die ihr Kind gestohlen hätten.«
    »Hm.« Haie kratzte sich am Kinn. »Irgendwie scheint da doch ein Zusammenhang zu bestehen. Immerhin waren die alle beim gleichen Arzt, oder?«
    »Ich habe auf jeden Fall Dirk Bescheid gegeben. Der wollte sich nun doch mal um diese Typen kümmern, bisher habe ich aber noch kein Wort von ihm gehört. Hoffentlich ist ihm nichts passiert.«
    »Na ja, so wie ich die kennengelernt habe, ist mit denen nicht zu scherzen. Aber mal angenommen, die hätten den Sohn von der Miriam entführt. Aus welchem Grund sollten sie das getan haben?«
    »Was weiß ich, was in deren kranken Hirnen vorgeht.«
    Haie kratzte sich erneut am Kinn. Was für ein Motiv konnte überhaupt jemand haben, ein Kind zu entführen? Er war der gleichen Meinung wie Marlene. Wahrscheinlich steckte doch ein unerfüllter Kinderwunsch hinter der Tat.
    »Na ja, denk’ an den Mord an Heike«, versuchte Marlene, weitere Motive in Betracht zu ziehen, »da ging es um Organhandel.«
    »Ja, aber mit einem Säugling?« Haie schüttelte den Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, wie jemand so grausam sein konnte. »Aber wenn die Neonazis ihn haben, was sollten sie für eine Veranlassung haben?«, führte er daher das Gespräch zurück auf Miriam Kuipers’ Verdacht. Nicht zuletzt, weil er nicht wollte, dass Marlene an den Tod ihrer besten Freundin erinnert wurde. Es war zwar mittlerweile über sechs Jahre her, dass die Leiche von Heike Andresen in der Lecker Au gefunden worden war, aber Marlene hatte der Mord damals in ein schrecklich tiefes Loch fallen lassen, sodass sie froh waren, als sich ihr Zustand einigermaßen stabilisiert hatte.

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