Friesenwut - Kriminalroman
über die Rückbank. Hömma, du
hast’n Käfer und keinen Ferrari«, meckerte Heiko von hinten.
»Eingeschlafen – wieso müssen
freischaffende Künstler überhaupt schlafen?«, flachste Tjark, während Rainer
extra ein paar kleine Schlenker fuhr.
»Na, weil ich nachts eben
freischaffend Kunst mache, Banause«, erwiderte Heiko, rekelte sich und
versuchte, ein Nickerchen zu machen, bevor sie ihr Ziel erreichten.
Erfahrungsgemäß wurden die Abende, an denen sie sich trafen, immer etwas
länger, da war ein wenig Schlaf im Vorfeld nicht schlecht. Schnell näherten
sich einige Laternen. Derk hatte von einem riesigen Getreidespeicher erzählt, der
demnächst abgerissen werden sollte. Offenbar war das mittlerweile schon
geschehen, jedenfalls sah er weit und breit kein besonders hohes Gebäude.
Erstaunlich schnell
fand Rainer das kleine Haus seines Freundes. Es war in vergleichsweise
schlechtem Zustand, hatte lange leer gestanden, dafür hatte er es recht
preiswert erwerben können. Der Amtmann war jetzt Hausbesitzer. Es hatte Zeiten
gegeben, da hätte Derk einen Eid geschworen, dass beides nie passieren
würde – weder der Job auf einem Amt noch der Hausbesitz, dachte Rainer. Er
holte seine Tasche aus dem Kofferraum und klopfte, eine Klingel suchte er
vergeblich. Die Tür öffnete sich und Derk stand vor ihm. Onno war schon dort.
Sie waren getrennt gereist, da Rainer ein, zwei Tage länger bleiben wollte.
»Rainer Manninga, alte Knackwurst,
Heiko, Tjark, herzlich willkommen im hohen Norden!«, begrüßte der
hochgewachsene Mann die Freunde. Man umarmte sich, wechselte die ersten
frotzelnden Bemerkungen: »Na, hast du dir noch ein paar schwarze Strähnchen
machen lassen oder sind das die letzten dunklen Haare zwischen all den
grauen?«, »Hattest du letztes Jahr schon eine Halbglatze, oder trägt man das
Haar hier oben so schütter?«, und in Windeseile hielt jeder eine Flasche Flens
in der Hand.
»Puh, bin ich froh, endlich hier
zu sein. Unter normalen Bedingungen kein Problem, im Moment ist die A1 jedoch
eine Katastrophe, Baustelle von Bremen bis Hamburg. Und dann noch Stau am
Maschener Kreuz …«, sagte Rainer.
»Ja, sie bauen und bauen. Und wenn
sie fertig sind, fangen sie wieder von vorne an. Vor allem dann, wenn die
billigste Lösung dazu führt, dass die neue Asphaltdecke schon nach kurzer Zeit
Risse oder Blasen zeigt. Aber immerhin, seitdem die Lkw-Maut gutes Geld bringt,
werden halt die Straßen repariert. Und dann noch das Konjunkturpaket II –
die Kohle muss verbaut werden. Doch wenn man an Hamburg vorbei ist, dann öffnet
sich die Landschaft. Das schönste Bundesland der Welt heißt ja nicht umsonst
so, ›Land der Horizonte‹.«
»Dich haben sie ja mit den
Sprüchen schon ganz schön eingelullt. Denk dran: Du bist und bleibst
Ostfriese!«
»Pssst, sag das nicht so laut, es
könnte uns jemand hören«, lachte Derk.
»Dass du mal in Süddänemark wohnen
würdest, hättest du bestimmt nicht geglaubt, was?« Heiko sah Derk schmunzelnd
von der Seite an.
»Die Gegend war wirklich mal
dänisch … Und weit ist es dorthin nicht. Du hast recht. Leute, ich bin jetzt
Hauseigentümer in Kleinkummerfeld, ich denk manchmal selbst, es wäre ein
Traum.«
»Hoffentlich ein guter!«
Rainer warf die
Tasche in eine Ecke, zog seine Jacke aus und folgte Derk in ein kleines,
unaufgeräumtes, aber dennoch gemütliches Wohnzimmer. Auf dem Tisch standen ein
paar geschmierte Stullen und unter dem Tisch die Kiste Flensburger. Rainer
bekam Appetit.
»Ich sag mal: noch ein Bier tut
immer gut«, meinte Derk und alle anderen nickten. Sechsmal ploppte es.
»Lecker!«, rief Rainer, nahm einen
zweiten, herzhaften Schluck und ließ sich auf das Sofa fallen.
»Und nun erzähl mal – es muss
ja allerhand passiert sein bei euch in der ostfriesischen Marsch, in’t
Krrrummhööaan«, forderte ihn Derk auf, den Namen des Landschaftsteiles extrem
in die Länge ziehend und das ›r‹ dabei rollend. Alle sahen gespannt auf Rainer.
Der wurde ein wenig verlegen, seine Befürchtungen bestätigten sich. Die
vernetzte Informationsgesellschaft ließ kaum etwas im Dunkeln. Und vielleicht
hatte Derk schon etwas anklingen lassen. Onno ließ es sich nicht nehmen, jedem
ein kleines Glas vor die Nase zu stellen und einen Jägermeister einzugießen.
Obwohl er das grünlich-bräunliche Getränk hasste, nahm Rainer es nach der
langen Fahrt dankbar entgegen. Nach einem lauten »Hau weg den Scheiß!« von
Gerjet begann er sehr
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