Frisch geküsst, ist halb gewonnen
ihrem Leben.
Jackson trabte in Richtung Sonne. Dann fiel er in einen Galopp. Izzy spürte die Hitze auf ihren Wangen und den Wind in den Haaren. Es fühlte sich so gut an, wieder auf einem Pferd zu sitzen. Sie würde über nichts nachdenken und sich keine Sorgen machen, sondern einfach den Ritt genießen.
Als Jackson endlich langsamer wurde, wischte sie sich mit der Hand über das Gesicht und weigerte sich zuzugeben, dass die Feuchtigkeit darauf von Tränen kam. Sie weinte nicht. Dazu war sie zu stark. Stärker, als alle ahnten.
Aber nicht stark genug, um die Operation zu wagen.
Die Wahrheit lag auf ihren Schultern, schwer wie ein dicker, nasser Mantel. Sie wollte anders sein, wollte sich mutig der Dunkelheit stellen, aber sie konnte es nicht.
Sie lenkte Jackson in einem Halbkreis auf den Weg zurück, den sie gekommen waren. „Zeit, nach Hause zu laufen, Kleiner“, sagte sie.
Ein paar Minuten später hörte sie Hufschläge, die in ihre Richtung kamen. Sie zügelte Jackson und wartete, bis der andere Reiter bei ihr war.
„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“, wollte Nick wissen. „Du bist einfach losgeritten, ohne irgendjemandem zu sagen, wo du hinwillst.“
„Ich wusste nicht, wohin ich wollte“, gab sie schnippisch zurück. Sie war emotional zu aufgewühlt, um sich jetzt mit Nick und seinem Wutanfall auseinanderzusetzen. „Ich kann nichts sehen, falls du dich erinnerst. Ich wollte nur einen kleinen Ausritt machen, und jetzt sind wir schon auf dem Rückweg. Worin also besteht dein verdammtes Problem?“
„Worin besteht deines? Du hast gerade zugegeben, dass du nicht sehen kannst, aber trotzdem reitest du alleine aus?“
„Oh. Gut beobachtet. Ich war aufgebracht“, gab sie zu. „Ich musste mal eine Weile fort und nachdenken.“
„Kannst du nicht in deinem Zimmer schmollen, wie jeder normale Mensch?“
„Ich schmolle nicht. Es gibt Dinge in meinem Leben, mit denen ich irgendwie umgehen muss.“
„Du hättest abgeworfen werden können. Wir hätten vielleicht Tage gebraucht, um dich zu finden. Wertvolle Arbeitszeit wäre verschwendet worden, nur weil du nachdenken musstest.“
Sie ignorierte ihn und trieb Jackson an. „Wenn das alles ist, was zählt“, murmelte sie. „Arbeitskraft. Welche Unannehmlichkeiten es bereiten würde. Ich sag dir was. Wenn ich das nächste Mal ausreite, mach dir nicht die Mühe, mich zu suchen. Ich will nicht, dass du deine wertvolle Zeit verschwendest.“
„Ich werde dich nicht zum Sterben hier draußen liegen lassen.“
„Warum nicht? Ich bin doch eh zu nichts zu gebrauchen. Ich bin völlig unnütz. Nehme nur Platz weg, richtig?“
Jackson blieb plötzlich stehen. Izzy wusste nicht, wieso, aber sie hatte das dumpfe Gefühl, dass Nick ihn am Halfter gefasst hatte.
„Was ist passiert?“
Seine Stimme klang weich, neugierig. Alle Wut schien verschwunden.
„Nichts. Lass mich einfach weiterreiten.“
Jackson setzte sich wieder in Bewegung. Nick kam an ihre Seite.
„Was ist passiert?“, hakte er nach.
„Mein Vater war da.“
„Und?“
Sie seufzte. „Was weißt du über Jed Titan?“
„Er ist ein erfolgreicher Businessmann und hat den Ruf, skrupellos zu sein.“
„Das ist schon mal ein guter Anfang. Er ist entschlossen, egoistisch und nur daran interessiert, wie ihm die Welt dienen kann. Zumindest an seinen guten Tagen.“
„Also ist er nicht hergekommen, um sich zu erkundigen, wie es dir geht?“
„Nein. Er kam, um zu sehen, ob ich immer noch blind bin. Denn wenn ja, bin ich wertlos für ihn. Ich kann nicht mal angemessen heiraten. Nicht, dass er mir irgendetwas von seinem erheblichen Reichtum hinterlassen würde.“
„Das tut mir leid.“
„Mir nicht. Ich habe sein Geld nie gewollt. Keiner von uns wollte es. Wir wollten einen Vater. Ziemlich dumm, hm?“
Nick sagte nichts. Izzy atmete tief ein.
„Du hast meine Schwestern kennengelernt. Lexi ist die Älteste. Sie ist eine brillante Geschäftsfrau. Nach dem College hat sie für Jed gearbeitet und war ziemlich erfolgreich. Aber sie hat schnell kapiert, dass sie in seiner Firma nie eine eigene Identität entwickeln könnte, also hat sie ihr eigenes Spa eröffnet. Skye hat man auf ein Mädchenpensionat geschickt, wenn du dir das vorstellen kannst. Als sie wieder nach Hause kam, hat sie den Mann geheiratet, den Jed für sie ausgesucht hatte. Sie hatte eine wundervolle Tochter bekommen und ihr Erbe dazu genutzt, eine Stiftung zu gründen, die dafür sorgt, dass Kinder aus armen
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