Frisch gemacht!
Als ich die beiden eifrig schreiben sehe, fällt mir das Oskar-Spezial-Autogramm ein. Und die Jacke. Wie schaffe ich es, die Jacke unauffällig wieder in die Garderobe zu hängen? Wenn ich überhaupt eine Chance habe, dann jetzt. Selbst die Tritsch hat sich nämlich mal aus der Garderobe rausbequemt, um ihren Schützling Anett zu loben. »Du warst wie immer irre gut«, schleimt sie sich eine Runde ein. Wenn ich zehn Prozent von Mocks Honorar bekommen würde, nur für die Telefonverhandlungen und Fernsehgucken in der Garderobe, würde ich das glatt auch tun. Ich renne zur Maske, schnappe mir Oskars Jacke und schleiche mich in die Mock-Garderobe. Diesmal habe ich Glück. Keiner da. Ich hänge die Jacke genau da wieder hin, wo sie gehangen hat. Jetzt nichts wie wieder weg. Nochmal möchte ich nicht von Kerstin Tritsch gestellt werden.
Ganz locker schlendere ich zum Partyraum. Will wünscht sich seit Jahren Büfett für die Feier, es gibt aber nichtsdestotrotz seit Jahren nur Brezeln und Bier. »Wir
sind kein reicher Sender, und keiner unserer Mitarbeiter leidet Hunger, ein paar Brezeln werden wohl genügen«, lässt der Produktionsleiter Will Woche für Woche abfahren. Im Prinzip hat er natürlich Recht. Aber eine schöne Geste wäre es schon. Es muss ja nicht Sushi sein. Aber so ein kleines Frankfurter Büfett mit Würstchen, Kraut und Bratkartoffeln oder Grüner Sauce wäre schon schön, da kann ich Will ausnahmsweise verstehen.
Als ich zu den anderen stoße, sehe ich ihn schon. Unseren Programmdirektor. Gut gelaunt sieht er nicht aus. Tim auch nicht. Die beiden reden aufeinander ein. Genauer gesagt, redet eigentlich nur Herr Haken, der Programmdirektor. Ich nähere mich unauffällig und lausche. »Das ist nicht etwa nur peinlich, wie Sie finden«, staucht er Tim zusammen, »das ist desaströs. Ein Land zu vergessen. Das wird ein Nachspiel haben. Ich möchte den Verantwortlichen dafür am Montagmorgen in meinem Büro sehen. So viel ist klar.« Da tun sich ja feine Aussichten auf. Hoffentlich trifft es nicht mich. Ich meine, ich war die, die in der Requisite den ersten Blick auf die Karte geworfen hat. Das würde mir an meinem verhassten Montag noch fehlen. Zuschauer-E-Mails und dazu ein Termin beim Sendergott Haken. Wird Tim so feige sein und mich nennen? Eigentlich ist meiner Meinung nach niemand allein schuld. Die Requisite hat das Land vergessen, aber hat nicht ganz Europa auch Estland vergessen? Und außerdem ist es ja von uns niemandem aufgefallen. Dem Regisseur nicht, der Redaktion nicht und auch der Studiomannschaft nicht. Der Mock natürlich sowieso nicht.
Ich stelle mich zu den Kameraleuten. Hauptsache, aus
der Schusslinie von Haken und Tim. Die trinken in Ruhe ihr Bierchen und amüsieren sich über die Estlandmisere. Sven, einer der Kameraleute behauptet, er hätte es gleich bemerkt. »Ich habe nichts gesagt, weil ich keinen verunsichern wollte, aber ein Blick hat mir genügt, und ich wusste Bescheid.« Was ein für Angeber. Sven ist ein Mann, der, vor allem im Nachhinein, alles besser weiß. Ganz ein schlaues Kerlchen. Lutz Haster, der Regisseur, ist zufrieden. »Was soll’s, das mit Estland ist peinlich, aber wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir es einfach nicht erwähnt. Hat doch kaum einer gemerkt. Und sonst war die Sendung spitze. Und wie lecker die Mock aussah. In der nahen Einstellung, diese Wahnsinnslippen. Also das ist echt eine scharfe Person.« Da hat doch einer schon wieder die Baggerschaufel parat. Meine Güte, der hat seine Hormone aber wirklich kein bisschen im Griff. Das Objekt der Begierde, die Mock, steht mit ihrer Agentin und ihrem Knackpo-Oskar zusammen an einem Stehtisch. Auch sie hat das mit Estland angeblich sofort gesehen. Ausgerechnet die. Wenn das so weitergeht, wusste es jeder, bis auf mich.
Jetzt hat Will seinen Auftritt. Selbst bei der After-Show-Party braucht der einen Auftritt. Und ich brauche Sandra. Die Gerstenkorn- und Autogrammkarten-News schreien nach einer Zuhörerin. Hoffentlich trägt sie die Oskar-Liaison mit Fassung. Sandra hat kein glückliches Händchen mit Männern. Sie hat einen immensen Verschleiß und gerät ständig an Typen, die sie entweder ausnutzen oder schnöde sitzen lassen. Sandras Glück ist ihr psychologischer Hintergrund. Da kann sie sich die Schweine immer noch schönreden.
In zwei Minuten habe ich ihr die Sachlage geschildert. Sie ist keineswegs so entsetzt, wie ich gedacht habe. »Der Oskar hat doch auch einen süßen Knackpo,
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