Frisch gemacht!
drangehen.« Zwei Minuten später kommt die Stelle. Will stellt unsere Gewinnfrage der Woche: »Liebes Publikum daheim an den Bildschirmen, gewinnen Sie mit RMRT ein Beauty-Wochenende für zwei Personen im Odenwald mit der Beantwortung unserer heutigen Quizfrage: Wie heißt Anett Mock mit zweitem Vornamen, und wie heißt ihre beliebte Sendung? Rufen Sie uns jetzt an, wenn Sie die richtige Antwort kennen.« Sehr schwer ist die Frage nicht. Jemand, der unserer Sendung einigermaßen aufmerksam gefolgt ist, dürfte keine Probleme haben, richtig zu antworten. Mit zweitem Namen heißt die Mock Martha, nach ihrer Großmutter, und die Sendung heißt »Sonnenschein mit Mock allein«. Egal wie leicht unsere Fragen sind, es gibt jedes Mal jede Menge falscher Antworten, denn viele Zuschauer rufen wie Pawlow’sche Hunde einfach an, wenn sie eine Nummer eingeblendet sehen. Wenn man dann nach der Antwort fragt, kommt nur: »Ich wollte nur mal hören, wer da drangeht.«
Auch diesmal blinken alle Leitungen. Ich warte einen Moment. Damit alle die gleiche Chance haben. So eine alte Omi kann kaum so schnell wählen wie ein handygeübter Jugendlicher. Ich zähle bis zwanzig und hebe ab. »Sind Sie denn total bescheuert«, werde ich zur Begrüßung angeschrien. »Nein, und die richtige Antwort ist es auch nicht«, wehre ich mich so gut es geht. »Haben Sie denn die Antwort?«, frage ich den aufgebrachten Herrn. Er antwortet prompt: »Ich rufe nicht wegen Ihres dämlichen Quiz an,
Sie haben Estland vergessen, Ihre Karte ist falsch.« Jetzt langt es. Ich lege auf. Nur weil ich beim Fernsehen bin, bin ich ja nicht der Fußabtreter der Nation. Ich drücke die nächste Leitung. »Liselotte Meier hier, ich bin Erdkundelehrerin«, begrüßt mich eine Stimme. »Das ist aber sehr schön«, lobe ich die Anruferin und gebe direkt zu: »Leider war ich nie sehr gut in Erdkunde.« »Man merkt es: Ihre Karte ist nicht korrekt. Estland fehlt«, erteilt sie mir einen strengen Verweis.
Langsam beginne ich zu ahnen, dass da wirklich was nicht stimmt. »Wie meinen Sie das?«, frage ich höflich nach. »Kindchen, ist das denn so schwer zu verstehen, auf Ihrer Europakarte fehlt ein baltischer Staat. Sie haben Lettland und Litauen, aber Estland vergessen. Was will man von Kindern erwarten, wenn nicht mal die Fernsehleute wissen, dass es drei baltische Staaten gibt?« »Vielen Dank für den Hinweis, aber jetzt geht es um unser Quiz, haben Sie die Antwort?«, lenke ich sie ein bisschen ab. »Ihr Quiz, nein natürlich nicht. Was soll ich denn auf einem Beauty-Wochenende, da ist nun wirklich nichts mehr zu machen. Aber dass ein Sender wie der Ihre zu dumm ist, eine ordentliche Europakarte zu zeichnen, das entsetzt mich schon sehr.« Wenn es stimmt, entsetzt es mich auch sehr. Ich bedanke mich bei Frau Meier, beteure eben noch meine höchstpersönliche Unschuld und will auflegen. »Moment noch, Kindchen, das kommt davon, dass niemand Erdkunde in der Schule ernst nimmt. Hätten Sie mehr aufgepasst, wäre so etwas nicht passiert.« So sind sie, die Lehrer. Immer nochmal draufhauen, auch wenn das Opfer längst geständig ist und untertänig im Staub liegt. »Danke Frau Meier,
in meinem nächsten Leben werde ich in Erdkunde sicherlich aufmerksamer sein«, beruhige ich unsere Zuschauerin. Zuschauer sind wertvolles Gut, da muss man einiges runterschlucken können. »Sie wissen sicher, dass Estland mit der Hauptstadt Tallinn 1918 entstand und 1940 durch ein Ultimatum als Teilrepublik in die Sowjetunion eingegliedert wurde und 1991 die Unabhängigkeit proklamierte. Der im nördlichen Baltikum gelegene Staat grenzt an den Finnischen Meerbusen, die Rigaer Bucht, die Narwa und den Peipussee.« Sie macht eine kurze Pause zum Luftholen. Meine Chance. »Das ist sehr interessant, Frau Meier, vielen Dank und tschüs.« Ich lege auf. Nicht, dass ich noch alles zum Thema Vegetation, Bevölkerungsstruktur und Wirtschaft des Landes anhören muss. Hinter mir taucht der Aufnahmeleiter auf. »Hast du einen Gewinner?«, ruft er mir zu. Ich schüttle den Kopf. »Wir brauchen aber einen, das weißt du doch«, nölt Dirk. »Klar weiß ich das, aber zaubern kann ich keinen. Außerdem haben wir Estland vergessen, und ich habe nur Anrufer, die mir das um die Ohren hauen«, antworte ich leicht gereizt. Erst Frau Meier und jetzt das. Der hat wohl eine Meise: »Sag Will, er muss sich was zu Estland einfallen lassen, irgendeine Erklärung oder Entschuldigung. Ich nehme noch mal zwei, drei
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