Frisch gemacht!
mich umziehe. Nichtsdestotrotz haben Will und ich eine Menge Spaß. Auch das Bühnenbild sieht gut aus. Selbst zeitlich liegen wir im Rahmen, was besonders mich freut, denn es bedeutet, dass ich keine neuen Abläufe tippen muss. Ein herrlicher Morgen und eine nette Abwechslung zur normalen Büroroutine. Wir machen pünktlich Schluss, denn auch Lutz Haster, unser Regisseur, und Tim, der Redaktionsleiter, sind zufrieden. Wenn die Mock nur halbwegs so gut wie ich ist, könnte die Sendung was werden, denke ich stolz.
Leider schaffe ich es vor Arbeitsschluss nicht mehr, Sandra ausgiebig zu ihrem kleinen Praktikanten zu befragen. Ist der menschliche Oskar ihre höchstpersönliche Trophäe? Spätestens morgen weiß ich mehr.
Ich bin um 14 . 20 Uhr zu Hause. Auf dem Trottoir vor unserem Haus steht mein Nachttisch. Ganz allein und einsam. Auf seinen dreieinhalb wackeligen Beinen. Mein Nachttisch hat ein kleines Fußproblem. Er schaukelt seit
Jahren vor sich hin. Viermal haben Christoph und ich geklebt und gesägt, aber so richtig erfolgreich waren wir nie. Ist der Tisch lebendig geworden? Zur Straße gelaufen, weil er Frischluft brauchte? Weil es ihm im Schlafzimmer zu eng wurde? Weil ich das Lüften vergessen habe? Undankbares Möbelstück. Andere hätten dich längst zum Sperrmüll gebracht. Stichwort Sperrmüll: Mir schwant Schlimmes. Meine Mutter unbeaufsichtigt in meiner Wohnung zu lassen, war vielleicht doch keine so sehr gute Idee. Ich haste die Treppen hoch. Mit den Worten: »Ach, du bist schon da«, begrüßt mich meine Mutter wenig begeistert. »Jetzt bin ich noch gar nicht ganz fertig«, redet sie weiter. Womit fertig? Mit dem Kind? Hat sie einen Schnellerziehungskurs veranstaltet? Oder eine spontane Windpockenschnellheilung? »Claudia ist nicht fertig, womit denn?«, frage ich immer noch relativ ahnungslos nach. »Claudia, nein, nein mit Claudia ist alles im Lot. Die guckt Video. Jim Knopf. Diese Augsburger-Puppenkiste-Geschichte mit der Bahn. Nein, mit der Wohnung bin ich noch nicht fertig«, jammert sie. Langsam dämmert mir das Ausmaß des Grauens. Bevor ich sofort einen Ausraster bekomme, begrüße ich meine Tochter. Bei einem Pustelpickelwettbewerb hätte sie durchaus Chancen auf einen der vorderen Plätze. Ihr Gesicht ist voll mit weiß gecremten Pusteln. Aber sie ist fidel. Liegt eingemummelt in eine dicke Decke vor dem Fernseher und schaufelt sich mit Gummibärchen voll. Das entspricht in etwa der Vorstellung meiner Mutter vom Babysitten. Aber das finde ich durchaus in Ordnung. Kranke Kinder dürfen mehr als gesunde. Das war schon bei uns zu Hause so, und ich halte es ebenso. Mein Wohnzimmer sieht nicht mehr ganz so aus, wie ich es verlassen habe. Die Couch komplett
verrückt und die Fensterbank leer geräumt. Meine Mutter sieht meine entsetzten Blicke: »Andrea, guck nicht so, du solltest mir lieber dankbar sein. Ich habe mir ganz schön den Rücken verhoben. Euer Nachttisch war dermaßen schwer.« Sie nimmt meine Wohnung auseinander, und ich soll sie womöglich noch bedauern. Die Wut beginnt in mir hochzukriechen. »Sag mal, hast du tatsächlich den Nachttisch auf die Straße gestellt?«, beginne ich mein Mutterverhör mit einer relativ harmlosen Frage. »Natürlich, Andrea, hast du vielleicht gedacht, er wollte von selbst Frischluft schnuppern?« Sie lacht. Das setzt dem Ganzen die Krone auf. »Ich glaube, du spinnst«, meckere ich los. Ohne weitere Worte spurte ich zur Treppe.
Jetzt gilt es, Schadensbegrenzung zu betreiben. »Halt aus, kleiner Nachttisch, ich komme, ich werde dich aus der Gosse erretten«, rufe ich ins Treppenhaus. Ich sehe gerade noch, wie ein türkischer Mann mit eindrucksvollem Schnauzbart den Nachttisch in einen Kombi hebt und unbeeindruckt von meinem Geschrei davonfährt. Na prima. Hoffentlich hat meine Mutter ihn wenigstens vorher ausgeräumt. Sonst kann sich die neue Besitzerfamilie an meinen verschnüffelten Taschentüchern, einem Satz Kondome und meiner Fußcreme erfreuen. Ich creme mir Abend für Abend die Füße ein. Oh je, die Kondome. Entweder meine Mutter oder die türkische Großfamilie weiß jetzt über unsere aktuelle Verhütungsmethode Bescheid. Mist, die Fußcreme war noch ganz voll. Und billig ist die auch nicht. Mir wird übel. Dabei habe ich heute kaum was von der Kohlsuppe gegessen. Sandra und ich sind nicht mehr ganz so streng mit unserer Diät. Selbst Sandra avanciert nach und
nach zur Kohlallergikerin. Ich könnte direkt hier auf den Bürgersteig
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