Frisch gepresst: Roman (German Edition)
ist er. Um acht klingelt es. Sein Glück. Ich hasse nichts mehr, als zu warten. »Ich bin’s de Gregor, mach dich nunner, mer müsse los.«
Obwohl ich abmarschbereit dastehe, brülle ich in die Sprechanlage: »Kleinen Moment noch.« Der soll nur nicht denken, daß ich hier schon ewig in Warteposition durchs Wohnzimmer kreise, und überhaupt, wie redet dieser Trottel mit mir? Einer Frau, die sich extra noch die Beinhaare rasiert hat. Betont gemütlich schlendere ich die Treppe runter. Im Geiste sehe ich ihn schon vor mir. In einem Opel, oder eventuell einem aufgemotzten Japaner. Mintfarbene Hose, dazu auberginefarbenes Hemd. Vielleicht eine altrosa Lederkrawatte. Und das I-Tüpfelchen: eine Antiklederjacke. War in den Achtzigern mal modern. Aber schon damals mehr als scheußlich. Diese beige-braunen Patchworkteile. Christoph nennt’s Ossi-Chic. Das finde ich allerdings doch ein bißchen arg gemein. Aber gut fürs Image ist es auch nicht, wenn man mich an der Seite eines solchen Kerls sieht.
Ich reiße dynamisch, aber nicht hektisch die Haustür auf. Keine Antiklederjacke in Sicht. Der einzige Typ weit und breit trägt eine Barbour-Jacke, Kragen modisch hochgestellt und lehnt locker an einem 911er Porsche in Dunkelgrün.
»Ei endlisch, du mußt ja wohl die Andrea sein, isch steh mer hier die Bein in en Bauch, hallöchen«, ist seine nicht gerade charmante Begrüßung. Bei mir langt’s vor Schreck nur zu einem fassungslosen »Tag«. Der Mann spricht wie Gregor, aber er sieht fantastisch aus. Wie aus einem durchschnittlichen Frauentraum entsprungen. Groß, dunkelhaarig, breitschultrig und sportlich schick gekleidet. Richtung: Richard Gere oder Kevin Costner mit einem Schuß Tom Cruise. »Obacht, Schnidt, kann so einer echt sein?« Auf alle Fälle gut, daß ich meine Beine rasiert habe. Im stillen leiste ich meiner Mutter Abbitte. Wo sie recht hat, hat sie recht. Der Kerl ist ein optischer Leckerbissen. Und was für einer. Keine Macken, auf den ersten Blick jedenfalls. Nie mehr werde ich Vorurteile haben. Oder es wenigstens versuchen. Schon sitzt er am Steuer. »Was is jetzt, legst de noch en Ei, oder warum schläschst de Wurzeln uff em Trottoir?« übertönt er den röhrenden Porsche. Sprachlich muß er echt noch an sich arbeiten. Aber alles darf man halt auch nicht erwarten. Bei dem Aussehen könnte ich vielleicht sogar Schwäbisch ertragen. Ich schwinge mich in den Porsche und habe die Tür noch nicht ganz zu, da fährt er schon los. In einem Tempo, daß ich sofort anfange, in den frischgereinigten Blazer zu transpirieren. Nicht, daß ich etwas gegen flotte Fahrweise habe. Im Gegenteil. Ich hasse diese Schnarchsäcke und Trockenbrötchen, die mit 80 auf der linken Spur der Autobahn entlangkriechen und meinen, den Rest der Autofahrer missionieren zu müssen. Aber ein scheuer Blick auf den Tacho zeigt hier in der Stadt satte 95, und das erscheint mir doch recht üppig.
Er hat meine aufkeimende Panik bemerkt. »Isch habs en bissi eilisch. Es warte noch 3 annere PJ ler uff misch am Eintritt, aber locker bleibe, isch habs voll druff mit em Fahrn.«
Na, an mangelndem Selbstbewußtsein leidet der Beau augenscheinlich nicht. Bis zur Uni labert er auf mich ein. Soweit ich sein Hessenkauderwelsch verstehe, geht’s um seine Fahrkünste, sein super Abi, seine irren Sporterfolge und bildschöne Frauen, die nur darauf warten, daß Gott Gregor sie erhört. Eins ist extrem auffällig. »Isch« scheint sein Lieblingswort zu sein. Der Mann unterhält sich nicht, er hält Vorträge. Er doziert. Bekanntlich hören sich ja alle Männer gerne reden, aber so was ist mir noch nie untergekommen. Nicht den Hauch einer Frage an mich, ich bin bloß eine Kulisse, auf die er einredet. Staffage. Und das, was ich verstehe, ist die dickste Angeberei, die ich je gehört habe. Sein Glanz beginnt zu leiden. Ohne Abschaltknopf kommt der nicht in Frage. Und wenn’s Richard Gere persönlich wäre. Oder der letzte lebende Pimmelträger unter Gottes Sonne. Unerträglich. Gregor ist die lebende Mogelpackung. 1a Design, billiger Inhalt. Ausschußware perfekt getarnt.
Erschwerend kommt seine Doppelverabredung hinzu. Männer, die mit mir ausgehen, haben zwar oft Macken, aber daß sie sich am selben Abend noch mit anderen verabreden, ist der Oberknaller. Endlich sind wir an der Uni. Er parkt im absoluten Halteverbot. Völlig cool – »Isch weiß mer halt immer zu helfe« – zieht er ein ›Arzt im Noteinsatz‹-Schild aus dem Handschuhfach, klemmt es
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