Frisch getraut: Roman (German Edition)
aus. »Er ist Barkeeper in einer kleinen Bar in Hyde Park.« Sie lachte. »Was sagt ihr dazu: Er hat mir erzählt, er sei der wiedergeborene William Wallace.«
»Hm-hm.« Maddie nahm einen Schluck Kaffee. »Woran liegt es, dass jeder, der je behauptet hat, wiedergeboren zu sein, die Wiedergeburt einer Berühmtheit ist? Es ist immer Johanna von Orleans oder Christopher Columbus oder Billy the Kid. Niemals irgendein Bauernmädchen mit verfaulten Zähnen oder der Matrose, der Kolumbus’ Nachttopf geleert hat.«
»Vielleicht werden nur Berühmtheiten wiedergeboren«, schlug Lucy vor.
Maddie stieß ein Schnauben aus. »Ich glaub eher, das ist alles Bockmist.«
Clare tippte auf Letzteres und stellte die erste von ihrer Meinung nach zwei relevanten Fragen. »Sieht der Barkeeper aus wie Mel Gibson?«
Adele schüttelte den Kopf. »Leider nicht.«
Nun die zweite Frage, die wichtiger war als die erste. »Du glaubst ihm doch nicht, oder?« Denn manchmal musste man sich wirklich fragen, ob Adele das, was sie schrieb, selber für bare Münze nahm.
»Nee.« Adele schüttelte den Kopf, und ihre lange blonde Lockenmähne
strich über ihren Rücken. »Ich hab ihn in die Zange genommen, und er wusste nichts über John Blair.«
»Wen?«
»Wallaces Freund und Kaplan. Ich musste William Wallace für die schottische Zeitreise recherchieren, die ich letztes Jahr geschrieben habe. Das war bloß ein Trick, um mich ins Bett zu kriegen.«
»Mistkerl.«
»Hat es funktioniert?«
»Nein. Ich lasse mich nicht mehr so leicht austricksen.«
Clare dachte an Lonny. Sie wünschte, sie könnte das auch von sich behaupten. »Warum versuchen Männer immer, uns auszutricksen?« Dann gab sie sich selbst die Antwort. »Weil sie alle Lügner und Betrüger sind.« Sie schaute in die Gesichter ihrer Freundinnen und fügte hastig hinzu: »Ach, entschuldige, Lucy. Alle Männer außer Quinn.«
»Hey«, sagte Lucy und hielt beschwichtigend die Hand hoch. »Quinn ist auch nicht perfekt. Und glaubt mir, als ich ihn kennenlernte, war er alles andere als das.« Sie schwieg, und ein Lächeln stahl sich über ihre Lippen. »Tja, außer im Bett.«
»Und die ganze Zeit«, meinte Clare kopfschüttelnd, »dachte ich, Lonny hätte eine echt schwache Libido, und er hat mich in dem Glauben gelassen. Ich dachte, ich wäre für ihn nicht attraktiv genug, und er ließ mich auch in dem Glauben. Wie konnte ich mich bloß in ihn verlieben? Mit mir muss irgendwas nicht stimmen.«
»Nein, Clare«, versicherte Adele ihr. »Du bist perfekt, so wie du bist.«
»Genau.«
»Es lag an ihm. Nicht an dir. Und eines Tages«, fügte Lucy,
die Frischvermählte, hinzu, »wirst du einen tollen Typen finden. Wie einen dieser Helden, über die du schreibst.«
Doch auch nach stundenlangen Beteuerungen war Clare noch immer davon überzeugt, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Etwas, das sie dazu trieb, sich Männer wie Lonny auszusuchen, die sie nie mit Leib und Seele lieben konnten.
Als ihre Freundinnen weg waren, lief sie durchs Haus und konnte sich nicht erinnern, sich je so allein gefühlt zu haben. Lonny war zwar nicht der einzige Mann in ihrem Leben gewesen, doch immerhin der einzige, den sie bei sich hatte einziehen lassen.
Sie ging ins Schlafzimmer und blieb vor der Frisierkommode stehen, die sie sich mit Lonny geteilt hatte. Sie biss sich auf die Lippe und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Sachen waren weg, und die Hälfte der Mahagonifläche stand leer. Sein Eau de Cologne und seine Pflegeutensilien. Sein Foto von ihr und Cindy und die flache Schale, in der er Lippenpflegestifte und einzelne Knöpfe aufbewahrte. Weg.
Vor ihr verschwamm alles, doch sie weigerte sich zu weinen, vor lauter Angst, nicht mehr aufhören zu können, wenn die Schleusen einmal geöffnet waren. Im Haus war es totenstill, bis auf das Geräusch der Klimaanlage aus den Belüftungsschlitzen. Kein Laut von ihrer kleinen Yorkshire-Dame, die die Nachbarskatzen ankläffte, oder von ihrem Verlobten, der an seinem neuesten Kunstwerk arbeitete.
Sie zog die Schublade auf, in der er seine ordentlich gefalteten Socken aufbewahrt hatte. Die Schublade war leer, und sie trat ein paar Schritte zurück und setzte sich auf die Bettkante. Der Spitzenbaldachin über ihr warf schattige Muster auf ihre Arme und den Schoß ihres grünes Rocks. In den vergangenen
vierundzwanzig Stunden hatte sie die gesamte Gefühlspalette durchlebt. Schmerz. Wut. Trauer. Verwirrung und Verlust. Dann Angst und Panik. Im Moment war
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