Frisch getraut: Roman (German Edition)
ranhielt, wäre der Wollmantel, den sie auf bebe.com gesehen hatte, ausverkauft. Und sie brauchte die neue Coachbag, auf die sie bei Macy’s ein Auge geworfen hatte. In Schwarz, passend zu dem bebe-Mantel. Oder in Rot … oder beides. Wenn sie sowieso schon bei Macy’s wäre, würde sie sich auch gleich Estée-Lauder-Mascara
und Benefits Browzing für ihre Augenbrauen holen. Beides wurde langsam knapp.
Auf dem Weg zum Einkaufszentrum würde sie bei Wendy’s haltmachen und sich eine Riesenportion Pommes mit extrafeinem Pudersalz bestellen. Sie würde sich bei Mrs. Powell’s ein klebriges Zimtbrötchen genehmigen, dann einen Abstecher zu See’s machen und ein Pfund weiche Karamellbonbons kaufen und …
Clare setzte sich wieder aufs Bett und widerstand dem Drang, ihre innere Leere mit Dingen auszufüllen. Mit Essen. Klamotten. Männern. Wenn sie wirklich damit Schluss machen wollte, die Weltmeisterin im Leugnen zu sein, musste sie ihr Leben kritisch betrachten und zugeben, dass sich vollzustopfen, ihren Kleiderschrank vollzuhängen und sich an einen Mann zu klammern ihr nie geholfen hatte, die Furcht erregende Leere in ihrem Herzen auszufüllen. Jedenfalls nicht auf lange Sicht, und zum Schluss saß sie mit ein paar Pfunden zu viel, die sie dazu zwangen, ins Fitness-Studio zu gehen, Klamotten, die aus der Mode kamen, und einer leeren Sockenschublade da.
Vielleicht brauchte sie einen Psychologen. Einen objektiven Beobachter, der in ihren Kopf schaute und ihr sagte, was mit ihr nicht stimmte und wie sie ihr Leben in Ordnung bringen konnte.
Vielleicht war alles, was sie brauchte, ein langer Urlaub. Sie brauchte ganz bestimmt eine Auszeit von Junkfood, Kreditkarten und Männern. Sie dachte an Sebastian und das weiße Handtuch um seine Hüften. Sie brauchte eine lange Pause von allem mit Testosteron.
Sie war erschöpft und in ihren Gefühlen verletzt, und wenn
sie ehrlich zu sich war, immer noch leicht verkatert. Sie fasste sich an den schmerzenden Kopf und schwor, sich von Alkohol und Männern fernzuhalten, wenigstens bis sie ihr Leben wieder im Griff hatte. Bis sie einen klaren Moment hatte. Den Moment der Erleuchtung, wenn alles wieder einen Sinn ergab.
Clare stand auf und schlang die Arme um den Bettpfosten mit der Girlande aus Belgischer Spitze. Ihr Herz und ihr Stolz waren lädiert, aber das waren alles Dinge, von denen sie sich wieder erholen würde.
Doch da war noch etwas anderes. Etwas, worum sie sich morgen früh gleich als Erstes kümmern musste. Etwas, das sich als ernst erweisen könnte.
Etwas, das ihr mehr Angst einjagte als eine ungewisse Zukunft ohne Einkaufsbummel und salzige Fritten. Und das war, überhaupt keine Zukunft zu haben.
Vashion Elliot, der Duke von Rathstone, stand mit den Händen hinter dem Rücken da, während er den Blick von der blauen Feder an Miss Winters’ Haube zu ihren ernsten grünen Augen senkte.
Clares Finger schwebten über den Tasten, als sie auf die Uhrzeit schaute, die unten rechts auf ihrem Computermonitor angezeigt war.
Miss Winters war durchaus hübsch, trotz des widerspenstig gehobenen Kinns. Auf hübsch konnte er verzichten. Die letzte hübsche Frau in seinem Leben hatte im Bett und außerhalb ein Übermaß an Leidenschaft an den Tag gelegt, das er so schnell nicht vergessen würde. Natürlich
war diese Frau seine ehemalige Geliebte gewesen. Keine zugeknöpfte, prüde Gouvernante.
»Ich stand zuletzt im Dienst von Lord und Lady Pomfrey als Gouvernante für ihre drei Söhne.«
Ihr pelzbesetztes Kleid verschluckte ihre zierliche Gestalt, und sie wirkte, als könnte ein starker Windstoß sie fortwehen. Er fragte sich, ob sie stärker war, als sie aussah. So widerspenstig, wie ihr Kinn andeutete. Wenn er beschloss, sie einzustellen, müsste sie es sein. Allein schon die Tatsache, dass sie hier in seinem Arbeitszimmer stand, zeugte von einer gewissen Entschlossenheit und Charakterstärke, die er normalerweise am anderen Geschlecht vermisste.
»Ja. Ja.« Er wedelte ungeduldig mit der Hand über ihre Empfehlungsschreiben vor ihm auf dem Schreibtisch. »Da Sie schon mal da sind, nehme ich an, Sie haben mein Inserat gelesen.«
»Ja.«
Er lief um seinen Schreibtisch herum und zupfte an den Manschetten seines braunen Gehrocks. Er wusste, dass man ihn für groß hielt und für die aktuelle Mode zu kräftig gebaut, was von den vielen langen Stunden körperlicher Arbeit auf seinen Gütern in Devon und auf seinem Schiff, der Louisa, herrührte. »Dann ist Ihnen auch
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