Frisch getraut: Roman (German Edition)
sie wie betäubt und so müde, dass sie wahrscheinlich die ganze nächste Woche schlafen könnte. Das würde ihr gefallen. Zu schlafen, bis der Schmerz verging.
Als sie an jenem Morgen aus dem Double Tree nach Hause kam, hatte Lonny schon auf sie gewartet. Er hatte sie angefleht, ihm zu vergeben.
»Es war nur das eine Mal«, beteuerte er. »Es wird nicht wieder vorkommen. Wir können doch das, was wir aufgebaut haben, nicht einfach so wegwerfen, nur weil ich Mist gebaut hab! Es hatte überhaupt nichts zu bedeuten. Es war nur Sex.«
Wenn es um Beziehungen ging, hatte Clare noch nie Verständnis für belanglosen Sex gehabt. Wenn man in keiner festen Beziehung lebte, war das etwas anderes, doch sie verstand nicht, wie ein Mann in eine Frau verliebt sein und trotzdem Sex mit einer anderen haben konnte. Sie hatte durchaus Verständnis für sexuelles Begehren und erotische Anziehung, aber sie konnte nicht begreifen, wie ein Mensch, ob nun schwul oder hetero, denjenigen, den er angeblich liebte, für belanglosen Sex derart verletzen konnte.
»Wir kriegen das wieder hin. Ich schwöre, es war nur das eine Mal«, beteuerte Lonny, als würde sie ihm glauben, wenn er es nur oft genug wiederholte. »Ich liebe unser Leben.«
Ja, er liebte ihr Leben. Er hatte nur sie nicht geliebt. Es hatte eine Zeit in ihrem Leben gegeben, da hätte sie ihm zugehört. Es hätte zwar nichts an den Konsequenzen geändert, aber sie hätte geglaubt, ihm zuhören zu müssen. Damals hätte sie vielleicht sogar versucht, ihm zu glauben, oder gedacht, sie müsse
ihn verstehen, aber heute nicht mehr. Sie war fertig damit, die Weltmeisterin im Leugnen zu sein. So viel von ihrem Leben in Männer zu investieren, die ihr nichts zurückgaben.
»Du hast mich belogen, und du hast mich benutzt, um diese Lüge zu leben«, hatte sie ihm vorgeworfen. »Ich werde deine Lüge nicht mehr leben.«
Als ihm klar wurde, dass er sie nicht umstimmen konnte, verhielt er sich wie ein typischer Mann und wurde gehässig. »Wenn du abenteuerlustiger gewesen wärst, hätte ich mich nicht außerhalb der Beziehung nach einem Kick umsehen müssen.«
Je mehr Clare darüber nachdachte, desto sicherer war sie, dass es dieselbe Ausrede war, die ihr dritter Freund ihr aufgetischt hatte, als sie ihn mit der Stripperin ertappt hatte. Statt schuldbewusst zu reagieren, hatte er sie zu einem flotten Dreier eingeladen.
Clare hielt es nicht für zu viel verlangt, dass sie dem Mann, den sie liebte, genügen wollte. Keine Dritten im Bunde. Keine Peitschen und Ketten und keine gruseligen Accessoires.
Nein, Lonny war nicht der erste Mann in ihrem Leben, der ihr das Herz brach. Er war nur der letzte. Da war ihre erste Liebe gewesen, Allen. Dann Josh, Drummer in einer miesen Band. Da war Sam, ein Basejumper und Extrem-Mountainbiker, gefolgt von Rod, dem Anwalt, und Zack, dem Schwerverbrecher. Jeder neue Freund war anders gewesen als sein Vorgänger, doch letzten Endes hatte keine der Beziehungen gehalten, ob nun sie Schluss machte oder er.
Sie schrieb über Liebe. Große, überwältigende, epische Liebesgeschichten. Doch wenn es um die Liebe im wahren Leben ging, war sie die totale Niete. Wie konnte sie darüber schreiben?
Sie kennen und fühlen, und die Sache trotzdem so vermasseln? Immer und immer wieder?
Was stimmte nicht mit ihr?
Hatten ihre Freundinnen recht? Hatte sie geahnt, dass Lonny schwul war? Hatte sie es die ganze Zeit über gewusst und trotzdem Entschuldigungen für ihn gefunden? Seine Ausreden wegen seines sexuellen Desinteresses akzeptiert? Und sich trotz allem selbst die Schuld gegeben?
Clare schaute in den Spiegel über der Frisierkommode und betrachtete die dunklen Ringe unter ihren Augen. Leer. Trostlos. Wie Lonnys Sockenschublade. Wie ihr Leben. Wie gewonnen, so zerronnen. In den letzten zwei Tagen hatte sie so viel verloren. Ihren Verlobten und ihren Hund. Ihren Glauben an Seelenverwandtschaft und den zweikarätigen Diamantohrring ihrer Mutter.
Sie hatte den Ohrring vermisst, kurz nachdem sie an jenem Morgen nach Hause gekommen war. Es würde sie zwar einige Mühen kosten, aber sie konnte einen passenden Ersatz auftreiben. Etwas zu finden, das ihre innere Leere ausfüllte, wäre ungleich schwieriger.
Aus dem Bedürfnis heraus, aus dem Haus zu gehen und die Leere auszufüllen, sprang sie trotz ihrer Erschöpfung auf. Ihr schoss eine Liste aller Dinge, die sie brauchte, durch den Kopf. Sie brauchte einen Wintermantel. Es war zwar erst August, aber wenn sie sich nicht
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