Frisch verlobt
übersah, dass er derjenige war, der diese Zeit vermutlich am dringendsten benötigte.
Letzte Nacht hatte er nicht geschlafen, kaum dass er einmal sein Auf- und Ablaufen unterbrochen hätte. Seinen Ärger und das gegen alle Beteiligten gerichtete Gefühl, betrogen worden zu sein, konnte er einfach nicht abschütteln.
Brittany hatte ihn angelogen. Sie hatte ihm in die Augen gesehen und glattweg gelogen. Wie war das nur möglich? Sie hatten sich doch immer nahe gestanden. Als sie Serena verloren hatten, hatte er seine Karriere für sie aufgegeben, und er hatte immer den Eindruck gehabt, als hätte seine Tochter den Durchblick. Aber das war nicht der Fall. Und wenn sie ihn belogen hatte, was den Sex mit Raoul anging, welche Lügen hatte sie ihm sonst noch aufgetischt?
An Raoul konnte er nicht denken, ohne dass er den Jungen am liebsten erwürgt hätte. Brittanys Freund zu sein war eine Sache, aber mit ihr zu schlafen war etwas völlig anderes. Dennoch, er wusste, dass er mit Raoul nicht eher sprechen durfte, als bis er sich ein Gespräch vorstellen konnte, bei dem er nicht mehr wünschen würde, ihm alle Knochen im Leib zu zerschlagen.
Seltsamerweise war die Person, die ihm vor allem auf die Nerven ging, Nicole. Sie hatte Bescheid gewusst und ihm nichts davon gesagt. Was sollte das? Sie war schließlich die Erwachsene in dieser Situation gewesen und hätte besser damit umgehen sollen. Okay, sicher, sie hatten sie darum gebeten, nichts zu sagen, na und? Er war Brittanys Vater und hatte ein Recht, davon zu erfahren.
Er parkte vor Nicoles Haus und starrte das Gebäude an. Was er sich nicht eingestehen wollte, war, dass die Person, über die er sich am allermeisten ärgerte, er selbst war. Unter seiner Aufsicht war es geschehen. Immer war er stolz darauf gewesen, ein Vater zu sein, der involviert war und der die Wahrheit kannte. Insgeheim hatte er die Eltern bemitleidet, die nicht so cool, nicht so engagiert waren wie er. Aber nun hatte sich gezeigt, dass das Ganze nichts als ein riesiger Witz auf seine Kosten war. Was hatte er nur falsch gemacht?
Da er keine Antwort finden konnte, stieg er aus dem Wagen und ging zur Haustür. Nicole öffnete, bevor er überhaupt anklopfen konnte.
Sie wirkte müde und besorgt. Trotz der Gefühle, die in ihm wüteten, verspürte er auf einmal den Wunsch, sie an sich zu ziehen und festzuhalten. Dabei war er sich keineswegs sicher, ob es ihm dabei eher darum ging, sie zu trösten oder sich selbst.
„Ich dachte mir schon, dass du vorbeischauen würdest“, sagte sie und trat zurück, um ihn hereinzulassen. „Das große Ereignis hast du verpasst. Sheila hat ihre Jungen bekommen.“
„Wie viele?“
„Drei. Zwei Mädchen und einen Jungen.“
Er nickte und sah dann zur Treppe. „Ich will mit Brittany reden.“
„Das habe ich mir gedacht. Wirst du sie anschreien?“
„Wahrscheinlich.“
Nicole seufzte. „Keine besonders gute Art, das Gespräch zu beginnen. Vielleicht versuchst du es ja einmal mit Zuhören.“
„Sie hat mir nichts zu sagen, was ich hören möchte.“
„Warum dann überhaupt mit ihr reden?“
Darauf hatte er keine Antwort. Nicole zuckte die Schultern und ging nach oben. Ein paar Minuten später kam sie zurück, ohne Brittany.
„Sie weigert sich herunterzukommen.“
„Was hast du ihr gesagt?“, fragte er herausfordernd.
Nicoles Miene wurde hart. „Absolut gar nichts, aber bitte, es steht dir frei, mir nicht zu glauben. Geh nach oben und brüll durch die Tür. Sie wird es dir selbst sagen.“
Sie wandte sich ab, drehte sich aber gleich wieder zu ihm um. „Ich schwöre, wenn ich mir vorstellen könnte, stark genug dafür zu sein, ich würde dich einmal richtig durchschütteln. Du weißt aber schon, dass ich auf deiner Seite bin, oder? Ist dir eigentlich schon einmal in den Sinn gekommen, dass ich ein wenig von dem nachvollziehen kann, was du empfindest? Ich bin hier nicht der Feind. Ich befürworte nicht, dass sie heiraten. Dazu sind sie beide viel zu jung und unbedacht. Ich weiß nicht einmal, ob sie das Baby überhaupt bekommen sollten. Aber hey, nur zu. Schrei mich an. Ich bin ein leichtes Ziel.“
Er kam sich dumm und nichtsnutzig vor. Keine angenehme Kombination. „Es tut mir leid“, murmelte er. „Mit so etwas hatte ich absolut nicht gerechnet. Sie hatte mir gesagt, dass sie mit Raoul keinen Sex hat.“
„Und das hast du ihr geglaubt?“
Er nickte. „Früher hat sie mich nie belogen. Ich dachte, sie würde mit mir darüber
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