Frisch verlobt
‚Mädchen‘.“ Plötzlich sah er eher aus wie acht als achtzehn.
Nicole wusste, dass sie wenig Möglichkeiten hatte. Einerseits könnte sie natürlich darauf bestehen, dass er Sheila in ein Tierheim brachte, und sie wäre dann die große Böse. Oder aber sie fand sich damit ab, dass ihr Leben eine andere Wendung genommen hatte, und wurde Hundebesitzerin. Viel mehr gab es wirklich nicht.
„Geh sie holen“, seufzte sie. „Bring sie her, aber lass dir gesagt sein, dass sie in der Garage bleiben muss, bis ich sie morgen zu einem Tierarzt bringen kann, der sie untersucht, entfloht und was sonst noch nötig ist. Und dann bedeutet es auch, Verantwortung zu übernehmen, wenn man Tierbesitzer ist. Du wirst sie füttern müssen, mit ihr ausgehen und den Garten sauber halten. Wenn ich rausgehe und in Hundekacke trete, werde ich wirklich sehr, sehr böse. Ist das klar?“
Raoul riss sie an sich und drückte sie so lange, bis er alle Luft aus ihr herausgepresst hatte. Dann ließ er sie los und grinste.
„Sie sind die Beste!“
„Das bin ich auch. Die Heilige Nicole.“
„Ich werde mich um alles kümmern. Sie werden nicht einmal merken, dass sie überhaupt da ist.“
Wenn es doch nur wahr wäre! „Zieh einfach ab und hol sie.
„Bin schon weg.“
„Warte.“ Sie griff in ihre Handtasche und zog ein paar Zwanziger heraus. „Unterwegs kannst du noch in der Tierhandlung vorbeigehen und Hundefutter, Körbchen, Halsband und Leine besorgen.“
Er grinste. „Danke.“
Sie wimmelte ihn mit der Hand ab. „Oh, warte. Leg noch das Hühnerfleisch wieder zurück.“
„Sheila ist ein gesunder Hund“, sagte Dr. Walters, der Arzt in der Tierklinik. „Sie ist etwa zwei Jahre alt.“
Der Veterinär war jung und kam vermutlich frisch von der Uni, was für Nicole völlig in Ordnung war. Sie war schon dankbar dafür, dass man ihr überhaupt gleich am frühen Morgen einen Termin gegeben hatte.
Sheila war ein schmuddeliges Häuflein Fell mit großen Augen und einem freundlichen Wesen. Nicole hätte nie daran gedacht, sich einen Hund anzuschaffen, aber nun, da sie einen hatte – auch wenn er natürlich theoretisch Raoul gehörte –, begann sie schon, sich an den Gedanken zu gewöhnen.
„Sie scheint stubenrein zu sein“, berichtete sie. „Sie hat nichts angekaut, und sie spielt gern. Und sie frisst eine Menge.“
„Das ist typisch für Streuner“, erklärte der Arzt. „Sie werden ihr das Futter abmessen müssen, sonst wird sie Gewicht zulegen.“
„Noch mehr Gewicht“, murmelte Nicole, denn Sheila war zwar niedlich, aber sie war auch ganz schön mollig.
Sheila schien zu wissen, dass über sie gesprochen wurde. Sie fing an mit dem Schwanz zu wedeln, kam näher und machte sich mit der Zunge an Nicole zu schaffen.
„Sie ist nicht dick“, sagte Dr. Walters und tätschelte den Hund auf dem Untersuchungstisch. „Sie ist schwanger.“ Er kraulte Sheila den Rücken. „Ich würde sagen, dass sie in drei oder vier Wochen so weit sein müsste.“
Dann redete er weiter, und Nicole konnte auch sehen, wie seine Lippen sich bewegten, aber was er sagte, konnte sie nicht mehr verstehen.
Sheila war schwanger? Sogar dieser verdammte Hund sollte bald eine eigene Familie haben? Wie ungerecht war das denn?
Mühsam unterdrückte Nicole ein Schluchzen. Auch sie wollte eine Familie. Sie wollte wissen, wo sie hingehörte, wollte geliebt werden, und sie wollte Babys. Und würde das etwa geschehen? Natürlich nicht.
„Ms. Keyes? Nicole? Alles in Ordnung mit Ihnen?“
Nicole wollte schon sagen, dass alles in Ordnung war, merkte aber, dass sie nicht sprechen konnte, weil sie weinte. Heulte sie etwa, weil ein blöder Straßenköter schwanger war?
„Alles bestens“, brachte sie schließlich heraus. „Ignorieren Sie mich einfach.“
Dr. Walters schien sich recht unbehaglich zu fühlen, als er ihr eine Schachtel Papiertaschentücher reichte. Sie nahm ein paar und wischte sich damit über die Augen. Dann versuchte sie zu lächeln.
„Geht schon wieder“, bekräftigte sie. „Nur eine Krise, aber das hat nichts mit Ihnen oder mit Sheila zu tun. Fahren Sie fort. Sie sagten, dass sie in ein paar Wochen Junge haben wird.“
„Ah ja, richtig. Sie werden darauf achten müssen, wie viel sie frisst. Wahrscheinlich wird sie auch noch nicht alle notwendigen Impfungen haben, aber damit werden wir warten, bis die Welpen da sind.“
„Sehr gut. Perfekt. Aber baden darf man sie doch wohl, oder?“ Denn so süß wie Sheila auch war, sie
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