Frisch verlobt
betrat, musste sie feststellen, dass es von Teenagern wimmelte. Auf dem Anbausofa saßen mehrere Mädchen zusammen, eine Gruppe Jungs hatte es sich auf dem Boden bequem gemacht. Aufgeschlagene Bücher lagen herum, überall war Papier verteilt, es gab Chips, Limonade, zwei Tüten Plätzchen und eine gedämpfte Unterhaltung.
Unsicher, was sie von dieser Invasion halten sollte, blieb sie stehen. Raoul war bei ihr eingezogen, also war es logisch, dass seine Freunde vorbeikamen und ihn besuchten … nur, dass Jesse ihre Freunde niemals mit nach Hause gebracht hatte.
Noch nie hatte sie direkt darüber nachgedacht, aber plötzlich fiel ihr auf, wie Jesse eigentlich immer verschwunden war, anstatt Leute zu sich einzuladen. Wenn Nicole sie einmal gefragt hatte, erhielt sie nur die Antwort, dass es für sie weniger Aufwand bedeutete, ihre Freunde in deren Haus zu besuchen. Aber war das wirklich so? Gab es irgendeinen Grund, weshalb Jesse ihre Zeit nicht hier verbringen oder Leute, die sie kannte, nicht einladen wollte?
„Hi“, riefen ihr ein paar der Kids zu.
„Haben Sie Muffins mitgebracht?“, wollte einer der Jungs wissen.
Sie lächelte. „Nein, aber morgen denke ich daran.“
„Spitze.“
Raoul stand auf und folgte ihr in die Küche. „Hätte ich Sie lieber erst fragen sollen, bevor ich sie eingeladen habe?“
Nicole musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können. Er wirkte ganz aufgeregt und nervös. Sie bezweifelte, dass er bei seinen Pflegeeltern jemals die Möglichkeit gehabt hatte, Besuch zu empfangen, und leerstehende Gebäude hatten auch nicht allzu viele Annehmlichkeiten für Teenies zu bieten.
„Ist schon in Ordnung“, beruhigte sie ihn. „Aber es gelten dieselben Regeln. Und keiner geht mir nach oben oder in den Keller. Das gilt auch für Brittany.“
Er grinste. „Was macht Ihnen Sorgen?“
„Du weißt ganz genau, was mir Sorgen macht. Und das wird es nicht geben. In diesem Haus hat niemand Sex.“
Erstaunt zog er die Augenbrauen hoch.
Sie dachte an Hawk und wie gut es sich anfühlte, wenn sie mit ihm zusammen war. Solange aber Brittany bei ihm und Raoul bei ihr wohnte, konnte sie davon ausgehen, dass ihren Begegnungen jeweils eine albtraumhafte Zeitplanung vorgeschaltet sein würde.
„Nicht einmal ich“, fügte sie seufzend hinzu. „Ist das klar?“
„Ja, Madam.“ Er grinste, als er das sagte, fügte dann aber ernst hinzu: „Danke dafür, dass Sie mich aufgenommen haben, Nicole.“
Sie zuckte die Schultern. „Wir werden schon zurechtkommen.“
Das Wie war ihr dabei allerdings noch völlig unklar, und es gab auch noch weitere Details, die bedacht werden mussten. Zum Beispiel, wie lange er eigentlich bleiben würde. Das ganze Schuljahr über? Das wäre eine ernsthafte Verpflichtung für sie. Aber dann war auch das ein Problem, mit dem sie sich lieber später befassen wollte.
„Geh wieder zu deinen Freunden“, sagte sie ihm. „Und warne sie, dass sie mir kein Durcheinander hinterlassen sollen, sonst werde ich richtig böse. Und du kannst mir glauben, dass ihnen das nicht gefallen wird.“
Er grinste. „Sie sind echt die Beste.“
„Weiß ich doch.“
Sie nahm sich eine Diät-Cola und stieg damit die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Als sie an Jesses Tür vorbeikam, ging sie hinein.
Seit ihre Schwester ausgezogen war, hatte sich hier nichts verändert. Die meisten ihrer Sachen waren noch immer da, denn Jesse hatte nur das mitgenommen, was sie tragen konnte.
Nach wie vor lagen ihre Stofftiere im Regal. Poster, Bücher, ihre Klamotten, die sich in einer Ecke häuften – alles war noch immer ganz wie früher.
Nicole setzte sich aufs Bett und sah sich um. Was war bloß schiefgelaufen? Wie konnte nur alles so schnell und ohne Vorwarnung auseinanderfallen? Heute noch war alles bestens, dann hatte Drew sie von einer Minute auf die andere mit ihrer eigenen Schwester betrogen.
Ehrlich gesagt, es traf sie mehr, dass Jesse ihr in den Rücken gefallen war, als dass Drew sie betrogen hatte, denn schon kurz nach ihrer Hochzeit hatte sie bereits gewusst, dass es ein Fehler war. Aber sie hatte sich zu sehr geschämt, das zuzugeben. Auch war sie davon überzeugt, dass es vor Jesse bereits andere Frauen gegeben hatte. Aber ihre eigene Schwester?
Hasste Jesse sie so sehr? Sicher, sie hatten schwierige Zeiten durchgemacht, als Jesse heranwuchs, aber sie waren doch eine Familie. Zählte das denn gar nicht?
Offensichtlich nicht, dachte Nicole und kämpfte mit
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