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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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es wert. Sagen sie.
    Dann ist Zitterkalle allein. Er macht ganz schnell eine Flasche Bier auf. Nach den ersten zwei Schlucken wird er etwas ruhiger und sieht aus dem Fenster. Ganz tief innen drin weiß er: Er wird eine neue Chance bekommen, zu zeigen, dass er ein richtiger Mann ist. Er wird seine Ehre verteidigen. Er wird ein Superheld sein. Ein andermal. Und dann wird es funktionieren.

3. Kapitel:
Du & Deine Welt
    Montag, 4. April
    Es wird Frühling. Das Eis auf dem Badeteich ist getaut, die Sonne scheint. Überall im Dorf beginnen die Pflanzen zu sprießen. Zweiunddreißig Kilometer entfernt entsteigen dreiundvierzig aufgeregte Frauen dem Bus mit der Aufschrift Grell-Reisen – Rein ins Glück und wieder zurück. Sie sind zwischen vierundzwanzig und siebenundachtzig Jahre alt und je nach Generationszugehörigkeit mit großen Broschen oder üppigem Modeschmuck geschmückt. Sie tragen geräumige braune Lederhandtaschen oder City-Shopper aus Glanzpolyester mit Kunstlederhenkel am Arm, auf dem Kopf silberne Kurzhaar-Pudeldauerwelle oder aufwendige Blondlockenfrisuren. Dazu kombinieren sie modische Windbreaker in Erdfarben oder Jäckchen im Fake-Chanel-Look mit ausgefransten Kanten und Bequemschuhe mit Lackeinsätzen oder halbhohe Pumps, ebenfalls mit Lackeinsätzen. Kurz: Sie haben sich alle stadtfein gemacht.
    Angeheizt durch einen kleinen Drink während der Busfahrt und umtost vom ungewohnten Lärm der Großstadt sind sie schon ganz aufgeregt. Bereit für ein extravagantes Abenteuer. Vor ihnen liegen zwölf riesige Messehallen, über denen der Schriftzug Du & Deine Welt in gigantischen Lettern lockt. Was für ein Versprechen! Eine ganze Welt! Meine Welt? Jede der dreiundvierzig Landfrauen fühlt sich ganz persönlich angesprochen. Die meinen mich , denkt jede von ihnen. Zu Recht?
    »Viel Spaß!«, wünscht der Busfahrer.
    Die Ortsvertrauensfrau übernimmt das Kommando und gibt die Eintrittskarten aus. »Wir bleiben alle zusammen!«, mahnt sie. Die dreiundvierzig Frauen nicken brav, doch sie wissen alle: So ein Quatsch. Wie soll das denn gehen? Schließlich wollen sie was erleben!
    Petra, Tina und Hanna haben Marlies überredet, mitzukommen. Gemeinsam haben sie sich Monique widersetzt und die von ihr festgelegte Sitzordnung ignoriert. Sie sind in den Bus gestürmt und haben gemeinsam die letzte Bank besetzt. Nachher sind sie mit Edith in Halle 6 – Hauswirtschaft & Innovationen – am Stand von Fresh&Clean verabredet. Doch vorher haben sie noch genug Zeit, sich in den Messerausch zu stürzen.
    Entfesselt wie eine Herde junger Kühe drängt die Gruppe auf den Eingang zu und strömt hinein, immer hinter der Ortsvertrauensfrau und dem Schild her, das diese hochhält. Es zeigt eine Spinne, die ein Kopftuch trägt, das Erkennungssymbol der Landfrauen. Vorbei an leicht abgestumpft wirkenden Ordnern gelangen sie in die erste Halle. Mode & Kosmetik wird hier ausgestellt.
    Gleich am ersten Stand wird Textil-Superkleber mit dem überzeugenden Slogan »Die Nähmaschine aus der Tube« verkauft. Ein Mann demonstriert, wie man damit Hosen problemlos umsäumen und, ja, ganze Kleidungsstücke zusammenpappen kann. Gleich drei Landfrauen bleiben an seinen Lippen kleben. Die anderen schaffen es, vorbei an »Thermo-Lockenwicklern, bekannt aus der Fernsehwerbung«, zum Stand von Christiane F. Beauty Products. Ein »unwiderstehliches Herbstangebot – original Micro 2000 plus Erdpuder, brillant oder matt für nur neununddreißig Euro neunundneunzig, natürlich inklusive einer individuellen Typberatung«, zwingt die Gruppe zum Stillstand.
    »Erdpuder – der kommt direkt aus Afrika!«, schwärmt Hedi, Hannas Schwiegermutter. »Ich habe mir von meiner Safari durch die Etoschapfanne welchen mitgebracht. Die Tiere dort – einfach herrlich!«
    »Und was ist mit dem Erdpuder?«, fragt Hanna. Sie weiß, wenn Hedi von Afrika und den Tieren erzählt, dann gibt es kein Halten mehr, das zieht sie stundenlang durch. Man muss sie am besten sofort vom Thema abbringen. Zum Glück funktioniert es.
    »Mein Erdpuder geht gerade zur Neige. Ich brauche unbedingt Nachschub!« Hedi greift sich drei Döschen.
    Die Messehostess, eine resolute Mittfünfzigerin, fasst sie am noch freien Arm und zieht sie auf einen Barhocker. »Ich zeige Ihnen mal, wie sie mehr aus ihrem Typ machen können!«
    Hedi wehrt sich nicht, sie lächelt sogar, als die Hostess mit einem großen Pinsel eine nicht zu knappe Menge Erdpuder auf ihrem Gesicht verteilt. Die Pinselstriche sind

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