Frischluftkur: Roman (German Edition)
sagen, nur, um nicht weiterfahren zu müssen.
»Da nicht für.«
Die beiden sehen sich an. Sie wissen nicht, was sie sagen sollen.
***
»Macht schon!«, brüllt Tina den Bildschirm an. Hanna und Petra haben sich an den Händen gegriffen und drücken sie so fest sie können. Marlies ist aufgesprungen und läuft wie ein gefangener Panther in seinem Käfig auf und ab.
***
»Ich muss dann weiter«, murmelt Thomas und denkt: Bitte, frag mich, ob wir uns wiedersehen können, zu einem Sicherheitstraining im Straßenverkehr oder irgendetwas anderem.
»Und ich breche hier so langsam meine Zelte ab, ist ja nicht viel los«, krächzt Kai. Vielleicht bietet er mir an, dabei zu helfen , hofft er inständig.
»Na dann«, sagt Thomas, steigt auf sein Rad und fährt langsam los.
***
Tina fummelt unter dem Tisch eine kleine Box hervor.
»Was machst du da?«, fragt Hanna. Sie ist ein wenig misstrauisch.
»Och, nichts«, antwortet Tina – und drückt auf einen Knopf.
***
Direkt unter Thomas Lenker gibt es einen Knall. Die Radgabel bricht. Thomas stürzt nach vorne, direkt auf einen Wackerstein am Wegesrand.
Kai stößt einen entsetzten Schrei aus, rennt zu ihm und wirft sich neben ihm auf die Knie. »Ist dir was passiert? Soll ich einen Rettungswagen rufen? Ich habe einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht!«
»Geht schon«, sagt Thomas leicht benommen.
»Gut, dass du den Helm aufhattest«, sagt Kai.
»Ich glaube, damit hast du mir das Leben gerettet.«
»Nun übertreib mal nicht«, wehrt Kai errötend ab.
»Doch«, sagt Thomas leise.
Und dann sagt er, ohne lange zu überlegen und abzuwägen: »Aber meinetwegen darfst du mir gerne zeigen, was du beim Erste-Hilfe-Kurs gelernt hast.« Er schließt die Augen und täuscht eine Ohnmacht vor.
Kai lächelt. Er bringt Thomas sanft in die stabile Seitenlage.
»Hmm, daran könnte ich mich gewöhnen«, nuschelt Thomas. »Willst du dich nicht dazulegen?«
»Und wenn jetzt jemand kommt?« Kai findet den Gedanken verlockend, traut sich aber nicht.
»Wir könnten uns ja unauffällig ins Feld rollen lassen und tun, als wären wir eingeschlafen«, schlägt Thomas vor. Gemeinsam kullern sie ins Maisfeld.
***
»Wie süüüüüüß«, juchzen Tina und ihre Freundinnen. Es ist ihnen sogar egal, dass Kai und Thomas aus dem Radius der Überwachungskamera hinausgekullert sind.
»Das ist ja noch mal gut gegangen«, atmet Petra auf.
»Ja, nicht wahr?« Tina ist stolz, sie möchte Bestätigung.
»Aber mach das nie wieder!«, sagt Hanna.
»Was?«, fragt Tina unschuldig.
»Du hast das Fahrrad gesprengt, ich hab's genau gesehen«, sagt Hanna.
»Für die Liebe muss man auch mal etwas wagen«, sagt Tina.
12. Kapitel:
Marlies rennt
Mittwoch, 7. September
Warten und schleppen. Warten. Wieder schleppen. Und noch mal warten. So richtig spannend sehen die Dreharbeiten nicht aus, findet Marlies. Ein Team von vierzig Leuten, die meisten davon in praktischen Westen mit vielen Taschen, steht am Set herum, in diesem Fall in der Scheune von Bauer Harms. Die Einzigen, die richtig was zu tun haben, sind die Beleuchter. Sie tragen schwere Scheinwerfer von rechts nach links und wieder zurück und ums Haus herum, meterlange dicke Kabel hinter sich herziehend, die Marlies sehr an Lakritzschlangen in der Größe erinnern, in der sie sie sich immer gewünscht hat. Drumherum haben sich alle Hausfrauen mit Tagesfreizeit versammelt, in der Hoffnung, endlich entdeckt zu werden, groß rauszukommen, fortan ein Leben voller Glanz und Glamour, schicker Kleider und vergoldeter Wasserhähne zu führen – oder wenigstens eine Statistenrolle zu bekommen. Einmal von rechts nach links durchs Bild laufen, das wäre es doch schon! Das würde reichen, um für Gesprächsstoff auf dem Feuerwehrball und dem Schützenfest zu sorgen, um endlich mal wieder wahrgenommen zu werden, vielleicht sogar vom eigenen Ehemann – und sei es auf der Mattscheibe.
Okay, Statistin in einem ... wie soll man sagen? Ein Pornofilm wird es ja wohl nicht, immerhin soll er bei einem öffentlich-rechtlichen Sender gezeigt werden, wenn auch im Spätabendprogramm. Trotzdem: Das ist keine Traumrolle. Ein Tatort , das wär's! Gerne auch die Leiche spielen. Schön, blass und interessant sein. Im Zentrum der Aufmerksamkeit. Und einmal so tot aussehen, wie man sich schon lange fühlt ... Nein, so denken längst nicht alle hier. Zwei, drei vielleicht, und die würden es sich niemals anmerken lassen. Die meisten Landfrauen strotzen vor Lebensfreude. Sie wollen
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