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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Gaffer um ihn herumstehen. Andererseits klappt die Karussellszene nicht. Der Schauspieler, der den Rocco spielt, wirkt hölzern und schleimig und kapiert einfach nicht, was er von ihm will. Der Regisseur hat das Gefühl, als sollte er einer Kuh das Luftgewehrschießen beibringen.
    »Ich zeig dir jetzt mal, wie du die Szene spielen musst«, sagt der Regisseur. Er sagt es einfach so, obwohl er es eigentlich hasst, sich so vor Zuschauern zu produzieren. Schließlich ist er nicht von ungefähr Regisseur geworden und nicht Schauspieler. Am liebsten würde er sagen: »Alle mal weggucken«, aber natürlich schaut ihn nun jeder an. »Aber ohne mich!« Die Hauptdarstellerin ist ganz grün im Gesicht vom vielen im Kreis fahren. Sie muss in die Maske, eine neue Grundierung und ein paar Schichten Puder sollen den ungesunden Hautton kaschieren. Der Regisseur sieht, wie sie von ihrer persönlichen Assistentin abgeführt wird.
    »Ich brauche eine Frau!«, hört er sich sagen und denkt: Aber eigentlich muss das doch niemand wissen!
    Nach dem Reinfall mit dem Historienschinken hat ihn seine Freundin verlassen. »Ich muss auch an meine Karriere denken«, hat sie gesagt und dabei wohl ganz vergessen, dass sie den größten Teil ihrer Karriere ihm und seinen Filmen zu verdanken hat. »Ich gehe nach Hollywood.«
    Er dachte noch, sie macht Witze, aber nein, sie hatte wirklich ein Angebot. Zack, weg war sie. Einmal hat er sie noch gesehen, in einer Zeitschrift auf einem Foto, neben Keanu Reeves. Danach hat er keine Frau mehr an sich herangelassen.
    ***
    Marlies kann ihren Blick nicht vom Regisseur wenden. Fasziniert schaut sie ihm zu, wie er seine Haare zwirbelt. Gebannt lauscht sie seinen Worten. Hat er wirklich gerade gesagt: »Ich brauche eine Frau?« Sie möchte zurückspulen, es noch mal hören. Er sieht so unberührt, so unschuldig aus, findet sie – und stutzt. Das ist ein ganz neuer Gedanke für sie: Einen Mann unschuldig, ja einfach süß zu finden.
    ***
    Der Regisseur sieht sich suchend um und zwirbelt dabei weiter seine Haare zu spitzen Dolchen, die ihn vor der feindlichen Umwelt beschützen sollen. Er braucht eine Frau für diese Szene, das ist ihm klar, aber er will sich lieber nicht mit der tiefergehenden Bedeutung dieses Satzes beschäftigen, der ihm eben herausgerutscht ist. Er will jetzt nur irgendeine Frau, die sich in den Wagen der Raupenbahn setzt, damit er dem Rocco-Darsteller zeigen kann, wie er die Szene zu spielen hat. Natürlich könnte er sich eine der Möchtegern-Statistinnen aus dem Casting im Feuerwehrhaus holen, doch dann kämen bestimmt alle angerannt und würden ihn anstarren, und er könnte den Drehtag gleich abbrechen. Die Beleuchter schleppen Lampen und Kabel hin und her. Alles nur Männer in praktischen Westen. Aber dort hinten, da steht eine Frau. Ganz alleine, in einem Kleid mit Punkten. Die ist genau richtig , denkt er. Punkte sind das einzige Muster, das er mag. Streifen machen ihn nervös, Karos findet er einengend und bei Paisley muss er immer an Sperma denken. Aber Punkte sind gut. So schön rund. So freundlich. So überhaupt nicht bedrohlich. Die könnte er fragen.
    Er hat noch nie eine fremde Frau einfach so angesprochen. Musste er auch gar nicht. Seine Exfreundin kannte er noch aus der Schule. Und sobald er berühmt war, haben die Frauen ihn angesprochen. Aber das ist ja jetzt nicht privat, sondern dienstlich, sagt er sich. Also, reiß dich zusammen, geh hin und ...
    Da kommt die Frau schon auf ihn zu.
    Marlies weiß nicht, was in sie gefahren ist. Vielleicht ist es das Karussell, das sie magisch anzieht? Sie würde zu gerne eine Runde damit fahren. Vielleicht ist es auch die Erinnerung an Rocco, die wieder in ihr hochkommt. Was mag wohl aus ihm geworden sein?
    Sie geht auf den Regisseur zu und überlegt sich dabei, dass sie gerne mal ein ganzes Schulheft nur über ihn vollschreiben würde. Allein die Beschreibung seiner Ohren, die ein wenig zu klein für seinen großen Kopf geraten sind und am Rand einen ganz zarten Flaum haben, würde Seiten füllen.
    Wie praktisch, dass er schon alles von ihr weiß. Sie wird ihm nichts erklären müssen. Er hat ja ihr Buch gelesen, er kennt also alle ihre schmutzigen Gedanken. Und er wagt es sogar, sie wahr werden zu lassen. Na ja, falls Film Wahrheit ist. Immerhin, das, was sie mit ihren dünnen Ponysträhnen zu verbergen versucht hat, setzt er in Bilder um. Ganz schön mutig, findet sie.
    ***
    Ganz schön mutig, findet er, die kommt einfach auf mich zu?

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