Friss oder stirb
Einzelställe sind auf Kufen gebaut, sodass der Landwirt sie mit seinem Traktor regelmäßig auf der Wiese weiter bewegen kann. Es ist in den Agrarwissenschaften unbestritten, dass ein solches System gegenüber den stationären Massenställen zahlreiche ökologische Vorteile hat und sich auf das Wohlbefinden der Tiere äußerst positiv auswirkt. [ Abb. 8 ]
Die Vorteile mobiler Einzelställe bei Geflügel auf einen Blick:
• Die Herdengrößen sind überschaubar, die Tiere können ein stabileres soziales System ausbilden.
• Die Hühner nehmen den Auslauf besser an, aber auch im Stall herrscht weniger Stress.
• Sie finden leichter zu den Auslaufluken.
• Die Weidefläche wird gleichmäßig beansprucht.
• Der Boden rund um die Ställe kann sich durch die Rotation der Ställe regelmäßig regenerieren.
• Der Kot der Hühner verteilt sich als Dünger über die gesamte Fläche, anstatt den Bereich um die Ställe auf Dauer zu versauern und das Bodenleben in Ungleichgewicht zu bringen.
• Die Tiere haben immer grünes Gras, an dem sie picken können.
• Der Schädlingsdruck wird minimiert, Krankheitserreger werden weniger schnell zum Problem.
• Weideland kann wieder anderen Nutzungsformen zugeführt werden, da die Ställe auch auf gänzlich neue Parzellen bewegt werden können.
Mit dem Zentralschlüssel in der Hand bewegte ich mich von Stallgebäude zu Stallgebäude. Die Unterschiede zur biologischen Massentierhaltung waren eindringlich. Die Hühner und Puten wirkten viel ruhiger und verteilten sich gleichmäßig im Stall und über große Teile der Auslaufflächen. Die Kommunikation unter den Tieren funktionierte: Im Stall herrschte ein unaufgeregtes Gackern und die Stimmen der Tiere waren voneinander abgrenzbar, ohne wie in den Großanlagen zu einem Klangteppich zu verschmelzen, in dem Kommunikation unmöglich wäre. Überall im Stall „badeten“ die Tiere im Sand und der Geruch im Gebäude war in keiner Weise unangenehm. Die Schlachtung erfolgte auf dem Hof in eigens dafür eingerichteten Schlachträumen. Nach stundenlangen Streifzügen durch die Baucksche Hühner- und Putenwelt fand der Hausherr schließlich Zeit, meine Fragen zu beantworten. [ Abb. 9 ]
Clemens G. Arvay: In meinen Recherchen stoße ich bei Großproduzenten, die von der Industrie oder von Lebensmittelkonzernen unter Vertrag gestellt worden sind, immer wieder auf Hühnerherden, in denen die Tiere überwiegend nackt und zerrupft sind und entzündete Haut sowie Geschwüre aufweisen. Bei Ihnen habe ich kein einziges solches Tier gesehen. Wie kommt das?
Carsten Bauck: Also ich gehe davon aus, dass dies eine Frage der Strukturen in der Aufzucht der Hühner und dann in den Haltungsbedingungen während ihres Lebens ist. Meiner Erfahrung nach ist es so, dass es kein Problem gibt, wenn die strukturellen Anforderungen des Wesens des Huhnes erfüllt werden, wenn es den Tieren ermöglicht wird, arteigene Verhaltensmuster voll auszuleben, wenn also der Alltag gut funktioniert. Solche Tiere können auch am Ende einer Legeperiode, das heißt im Alter von 15 oder 16 Monaten, noch gut befedert sein. Natürlich sehen wir an jeder Henne mit der Zeit die Spuren der Alterung. Bei uns kommt auf 40 Hennen ein Hahn, das heißt, dass jede Henne täglich getreten wird. Dabei hinterlässt der Hahn am Hals Stellen, die leicht ausgedünnt sind. Nackte Hintern lassen sich so aber nicht erklären.
Clemens G. Arvay: Können Sie die strukturellen Probleme in der Geflügelhaltung benennen?
Carsten Bauck: Wenn die Betriebe vorwiegend ökonomisch orientiert sind, werden mehrere Ställe mit großen Einheiten hintereinander gesetzt. Das heißt, ein schlecht aufgezogenes Tier – also ein sehr preisorientiert aufgezogenes Tier – trifft auf ein Stallsystem, das nur in Bezug auf Stallplatzkosten optimiert ist. Es stößt dort oft auf Menschen, deren Hauptinteresse nicht das Tier selbst ist, sondern die maximale Eierlegeleistung. Dann ist das Ergebnis oft, dass man einfach nackte Tiere hat.
Clemens G. Arvay: Können nackte Hühnerhintern das Resultat der Mauser sein?
Carsten Bauck: Nackte Hühner sind das Ergebnis von Federnkannibalismus. Das heißt, Tiere werden aufgrund von schlechten Strukturen – oft auch wegen personellem Mangel – aggressiv und gehen aufeinander los. Bei der Mauser würden die Tiere für sechs Wochen mit dem Legen aufhören. Das ist ein Prozess, der vom Landwirt bewusst über die Futtersteuerung eingeleitet wird und der nicht
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