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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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durch den ersten Notausgang das Kino. Die spanische Wand verdeckte den Blick auf die Zuschauerreihen. An den Garderobeständern hingen die Kostüme, nach Geschlechtern getrennt, Dekorationsstücke und Requisiten standen bereit, der Stecker am Kabelende steckte in einer Steckdose.
    »Ihr müßt von vorn auftreten !« verkündete Pinkus. »Probiert’s erst mal bei Licht .«
    Wir traten hinter der spanischen Wand vor und gingen zwischen Vorhang und erster Sitzreihe über die kleine Treppe auf die Bühne. Nach einigen Gängen hin und her faßte Pinkus den Stecker in der Dose.
    »So und jetzt im Dunkeln.«
    Er zog, das Licht ging aus. Anfangs zaghaft, dann sicherer wiederholten wir Auftritte und Abgänge.
    »Striese hätte seine Freude !« alberte Schampi, des Königs der Schmiere gedenkend.
    Scheinwerfer flammten wieder auf und erhellten die Bühne, das Licht wurde gedämpft, dann wieder heller, der Vorhang schloß und öffnete sich.
    »Klappt ja prima«, meinte Pinkus. »Und alles mit dem einen Stecker.«
    Wie sich herausstellte, hatte er mit dem Vorführer Lichtzeichen für sämtliche vorkommenden Beleuchtungssituationen abgesprochen.
    »Und wo ist das Klavier ?« fragte Kompo- und Pianist Jochen Breuer. Schon wurde es gebracht. Von den Städtischen Bühnen. Nur der Tourneeveranstalter ward nicht gesehen.
    Zuerst füllte sich der Parkplatz, dann der Zuschauerraum. Bis auf den letzten Klappsitz. Die Pinkus-Lichtspiele an der Steckdose begannen. Langsam zog der Vorführer droben das Saallicht ein, im Dunkel schlichen wir auf die Bühne hinter den noch geschlossenen Vorhang, der sich alsbald öffnete.
    Längst an stets wechselnde Bedingungen gewöhnt, strahlten wir unbekümmert ins gleißende Scheinwerferlicht, ließen dem Spieltrieb die Zügel, improvisierten aus dem Augenblick. Mitten im Text verständigten wir uns durch heimliches Zuraunen nach Art von Bauchrednern. Szene folgte auf Szene ohne Verzögerung, alle Umzüge klappten, ob mit oder ohne Licht, wie auch der Wechsel von Kopfbedeckungen, Perücken, das Ankleben von Bärten. Niemand stolperte im Dunkeln oder verirrte sich bei raschem Abgang in die erste Reihe.
    Der Beifall zur Pause wärmte.
    Doch dann geschah es. Erich Kästners Ensemblenummer Die Acharner, eine Zeitkritik in altgriechischem Kleid, brachte kaum Spielspaß. Mythologisch statt kabarettistisch verpackt, blieb sie für uns, auch von Kostüm und Regie her, ein Bildungsungeheuer. In hemdartigen, schwarz-weiß gewürfelten Gewändern mußten wir uns wie mechanische Puppen bewegen, dabei ausdruckslos letzte Dinge verkünden. Zudem war das sperrige Spiel mit aufwendigen Umbauten verbunden. Eine Seherin beispielsweise thronte auf einer Schiedsrichterleiter, wie man sie von Tennisplätzen her kennt.
    Um die genau festgelegten Standplätze zu treffen, bewegten Schampi und ich uns im Dunkeln auf den Knien. Kollegen brachten die Stücke und huschten wieder davon, um die nächsten zu holen. Wir hatten uns alle Abstände bei Licht eingeprägt und maßen sie mit dem Unterarm nach.
    Als sich hinter der Spanischen Wand niemand mehr in Flüsternähe befand, wähnte Pinkus alle auf ihren Plätzen.
    Es konnte losgehen.
    Wie ein plötzliches Orchestertutti in fortissimo brandete das volle Licht gegen die Bühne, auf der zwei Männer in gewürfelten Hemden kniend Möbel rückten, während andere, ähnlich gewandet, teils mit, teils ohne Last, wie geblendetes Wild auf ihrem Weg innehielten, ehe sie hinter die Spanische Wand flohen.
    Zuschauer lachten — eine begreifliche Reaktion. Doch was sollten wir tun? Auf der Leiter fehlte die Seherin. Noch immer kniend, sahen Schampi und ich uns an. Würden die andern kommen, wenn wir einfach anfingen? Wie fing es überhaupt an? Mit uns beiden jedenfalls nicht.
    Da etwas geschehen mußte, erklärten wir dem Publikum, es handle sich hier um die Uraufführung einer Panne.
    Das freute die Leute und wir gaben ihnen recht. Ihr Beifall verrate Geschmack. Er richte sich gegen jene leidige Kunstmode, die da versuche, mit Kostümwechsel und Verwandlung der Darsteller vor den Augen des Publikums Illusionen zu zerstören und aus den Trümmern so etwas wie eine unterkühlte Gemeinschaftsatmosphäre zu basteln.
    Auch das freute die Leute. Wir baten die Kollegen hinter der Spanischen Wand, auf die Bühne zu kommen und schlossen, nachdem sie ihre Puppenposen eingenommen hatten, mit dem Hinweis: »Jetzt fangen wir an .«
    Die Musik setzte ein, und wie seinerzeit beim alten Striese, wo sie nach

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