Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
trotz der langen Formulierung in diesem Moment eine unaufschiebbare Tätigkeit
entdeckt. »Aber um 15 Uhr habe ich Pause, wenn Sie dann Zeit haben.«
›Und wieder
dieses verschmitzte Lächeln, das den Mundwinkel zu einer Seite überdehnt. Wirklich
nett.‹
»Ja, kurz
könnte ich, aber um 16 Uhr habe ich Fitnessstunde. Also treffen wir uns um drei
vorne an der Terrasse.«
»Okay.«
Dieser Jörg Olsson machte sie neugierig auf mehr. Vielleicht konnte es ihr nützlich
sein, wenn er ihr etwas mehr als geschäftsmäßige Sympathie entgegenbrachte.
Schnell
drehte sie sich zum Gehen um, als sie geradewegs ihr Abbild in einem Ganzkörperspiegel
sah. Unwillkürlich senkte sich ihr Blick, schnürte sie sich den Bademantel enger
und strich ihn in die Länge aus – umsonst. Schätzte sich Liv ansonsten relativ schmerzfrei
in puncto Eitelkeit ein, war diese Totale sogar für sie einen Deut zu viel:
Ihr angestrengter
Gesichtsausdruck zwischen den nassen Haarsträhnen, ihr nachschwitzendes Dekolleté,
eingewickelt in einen strammen, weil zu kleinen und zu kurzen weißen Hotel-Bademantel,
aus dem unten eindeutig zu viel kalkweiße, stramme Waden herausstachen, die entenfußartig
in viel zu großen Einheits-Hotelschlappen aus weißem Frottee endeten.
Livs scheuer
Rundumblick machte klar, dass sich um sie herum im Foyer ausschließlich gut frisierte
und geschminkte Damen und Herren in den bewährten dunklen Kostümen oder Anzügen
bewegten, gestylt bis zu den Schuhen – Düsseldorfer oder Düsseldorfer Gäste halt.
Aber Karneval gehörte ja auch zu Düsseldorf, insofern waren alle auch an Jecken
gewöhnt – und als solch einer fühlte sich Liv in diesem Moment.
16
›Schnell weg von hier. Halt! Eins
noch eben: Wo ist der Kommissar?‹
Er sprach
mit der immer noch heulenden Anuschka. Das wollte Liv trotz allem noch rasch mitbekommen.
Aber was sah sie? Ein guter Abhorchplatz an der Rezeption war bereits besetzt. Gritta
Entrup hörte das Gespräch von der heulenden Anuschka und dem Polizisten mit. Bei
dieser Tätigkeit wirkte sie geübt. Sie hatte nicht das ängstlich besorgte Gesicht
eines Greenhorns. Als sie Liv erkannte, sah sie geschockt aus, musterte sie von
oben bis unten und überlegte wohl, ob sie sie in den Wellness-Bereich zurückverweisen
sollte.
›Wag es
bloß nicht, mir irgendetwas zu sagen!‹, dachte Liv, die Haarsträhnen hinters Ohr
streichend und innerlich zu Höchstform auflaufend. Ihr Gegenüber spürte die geballte
Ladung Energie und streifte ihren Blick nur kurz.
Wie in einer
Übersprungshandlung schnappte sich Gritta Entrup eine Vase mit Blumen. »Die müssen
unbedingt erneuert werden!«, rief sie unpassend laut durch das Foyer und drückte
sie einem Mädchen vom Service in die Arme.
»Das habe
ich eben erst gemacht!«
»Na, dann
machen Sie es neu, die Blumen sehen schäbig aus«, befahl sie und flatterte behäbig
wie ein zu dick geratener Schmetterling in ihrem nun schwarzen Wildseidenkleid mit
rotem Schal hinaus.
Von ihrem
Platz aus konnte man das Gespräch zwischen Anuschka und Frank Golström gut hören.
Obwohl Livs Tarnung alles andere als optimal war, blätterte sie im Hotelprospekt,
als wäre dies eine unaufschiebbare Notwendigkeit.
›Von blöden
Blicken lasse ich mich nicht vertreiben. Ich muss wissen, was diese Anuschka von
sich gibt. Sie war diejenige, die dem Toten am nächsten stand. Sie weiß viel, was
auch mich interessiert.‹
Liv musste
sich anstrengen, um das Gesagte zu erfassen. In gebrochenem Deutsch, das durch das
ständige Heulen noch schlechter zu verstehen war, schilderte Anuschka ihre schwere
Zeit in einem Redeschwall. »Alle haben Streit. Die sich hassen, alle sind gemein.
Alles nur wegen Geld. Chef hatte Angst, dass ihn bestehlen«, heulte sie den Polizisten
an. »Chef und Frau nur immer Streit. Keiner weiß, wo Frau wohnt. Neulich sie hier
mit zwei Männern in Schwimmbad. Chef sehr traurig.«
»Was ist
mit den erwachsenen Kindern?«, fragte Frank.
»Ich nicht
verstehen«, und ihr Heulen wurde wieder intensiver, »Johann und Maria machen alle
Arbeit hier, aber Chef nur immer schimpfen. Ich immer sagen, er die Kinder lassen,
aber er nicht hören. Sie immer viele Ideen, aber er keine Veränderung. Immer nur
Streit. Immer, nach Urlaub, Streit, Streit, Streit. Wir nie wissen, was richtig.
Schlimm, schlimm, schlimm. Und nun tot.«
Ihr Heulen
war nun nicht mehr zu bremsen. Der Kommissar bedankte sich und meinte, sie solle
sich doch besser etwas hinlegen und
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