Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
Rheinturmes nachempfunden war. Sie bestellte mit ein wenig Schuss, um es nicht
zu gesund werden zu lassen, dazu einen Nudelteller mit Senf-Bolognese-Soße extra-scharf.
Als Düsseldorferin wusste Liv, was ›extra scharf‹ bedeutete: Der Löwensenf musste
in der Nase kribbeln – und das tat diese Speise zu Livs Vergnügen auch.
Sie sinnierte
über ihr Vorgehen nach und welche Rolle sie Frank zubilligen wollte. Mit genügend
Skepsis analysierte sie, ob die Zusammenarbeit funktionieren konnte: ›Wie soll das
gehen? Ich bin Frank gegenüber nicht neutral. Woher auch? Schließlich war ich mal
in ihn verliebt. War? Nichtsdestotrotz habe ich mir vorgenommen, möglichst natürlich
und normal mit Frank umzugehen. Hoffentlich spielt er mit, wobei auch immer.‹
»Wusstest
du, dass der Alte sich eine wesentlich jüngere Freundin hielt?« Über ihrem leeren
Teller sitzend, riss dieser Satz Liv aus ihrem Tagtraum. Ungläubig schaute sie sich
um. Bettina freute sich sichtlich, ihr diese Neuigkeit zu hinterbringen.
»Das glaube
ich nicht!«, rutschte es Liv heraus, obwohl sie eine derartige Andeutung ja bereits
von der Kosmetikerin gehört hatte. »So aktiv war der noch?«
»Keine Ahnung,
auf jeden Fall deutet doch alles bei einem 84-Jährigen darauf hin, dass er in Kürze
etwas zu vererben hat. Das reicht meist, um attraktiv genug zu sein. Und das Hotel
hier wirft schon einiges ab, das lockt Erbschleicher aufs Parkett. 35 Jahre alt
ist sie und heißt Monika Salmann, falls es dich interessiert.« Bettina lachte über
das ganze Gesicht und begab sich ohne weiteren Kommentar in ihren Fitnessraum. Liv
konnte durch die Glaswände, die die kühle Luft im Studio von der tropischen im Schwimmbadbereich
trennten, beobachten, wie Bettina einem alternden Muskelmann und einer übergewichtigen
Dame die Geräte zeigte. Liv spürte fast körperlich die Gefühlskälte dieser Athletin.
›Das sind
ja Zustände. Der Senior hatte also eine Ex-Ehefrau, die Mutter von Johann und Maria,
ferner die getrennt lebende Noch-Ehefrau und eine Geliebte. Dazu spielte diese Anuschka
eine weitere Rolle. Da hätte der Mann ein ganz redlich lebender Mensch sein können
und es gäbe genug Verdächtige. Aber nein, er musste auch noch ein verhasster Vorgesetzter
und Geschäftsmann gewesen sein.‹
Livs Jagdtrieb
war geweckt.
Um alles
einmal gedanklich durchzugehen, das Essen sich setzen zu lassen, zog sich Liv in
ihr Zimmer zurück. Kurz schaute sie aus dem Fenster und sah den Rheinturm. Er ähnelte
dem Glas mit dem Wellness-Drink tatsächlich ziemlich genau.
Es war an
der Zeit, eine erste Fassung des Artikels in die Tasten zu geben. Liv war danach
und schließlich war sie ja nicht nur zum Vergnügen hier. Sie machte es sich auf
dem Bett bequem, schaltete den Laptop an und genoss es, in dieser Position arbeiten
zu können.
›Tod im
Birchermüsli‹ fiel ihr als Schlagzeile ein, ›Seniorchef eines Düsseldorfer First-Class-Hotels
stirbt im Frühstücksraum – Polizei steht vor einem Rätsel‹ sollte die Unterzeile
werden, dann floss es nur so aus ihren Fingern. Die erste Rohfassung war immer das
Leichteste, die Arbeit, das Feilen am Text kam später. Da sie aber ohne die tatsächliche
Todesursache nicht weiterkam, lehnte sie sich zurück und überlegte wieder und wieder.
Der Tote im Frühstücksraum, die beiden erwachsenen Kinder, die Ehefrau, Anuschka.
Wer hatte den alten Mann vergiftet? Dazu musste ein Motiv her, dazu brauchte sie
auch die Untersuchungsergebnisse der Gerichtsmediziner. Das konnte dauern. Der Kommissar,
Frank – Liv wollte unbedingt an ihm dranbleiben, ganz dicht dran.
Sie war
eingeschlafen und träumte: Sie war gebettet auf einer Liege mitten in einem riesigen
Beet tiefroter Rosen. Sie inhalierte den betörenden süßlich-herben Duft. Dann pflückte
sie sich einen großen Strauß der herrlichen Blumen. Als sie sie in den Händen hielt,
floss ihr Blut zäh über die Finger. Erst als sie es sah und fühlte, fingen beide
Hände an zu schmerzen. In diesem Moment kamen zwei gesichtslose Männer, die sie
von ihrer Liege gegen ihren Willen wegtrugen.
Liv wachte
auf, ihr Herz raste. Die hinter ihrem Kopf verschränkten Hände waren eingeschlafen.
Sie kribbelten wie wild, als sie sich aufsetzte. Liv war froh, dass es nur ein Traum
gewesen war.
Mit ihren
Träumen wandte sich Liv generell an Dag, ihre einzige richtige Freundin und privat
wie beruflich ihre Lebensberaterin. Sie griff zum Telefon: »Dag, ich hatte mal wieder
einen seltsamen
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