Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
Traum. Hast du Zeit?«
»Okay, erzähl.
Ich sitze gerade auf den Treppen unterm Schlossturm, genieße das rege Treiben von
Touristen und Einheimischen hinter mir und den Blick auf den Rhein vor mir. Eine
leichte Brise weht, die Rheinschiffe kämpfen gegen die Strömung an oder lassen sich
von ihr gen Nordsee treiben. Meine beiden Kinder schlecken in Sichtweite ihr erstes
Eis des Jahres und gleich geht es weiter zum Klavierunterricht. Du siehst, alles
ist gut – fünf Minuten hast du. Von hier aus kann ich übrigens den Rheinturm sehen.
In der Nähe ist doch dein Hotel. Bist du gerade dort?«
»Ja, ich
bin hier, es ist wirklich empfehlenswert. Aber hör zu, Dag …«
Im Stakkatostil
erzählte Liv von ihrem Traum. Dagmar schwieg. Liv hörte sie förmlich grinsen. Dann
holte Dag tief Luft: »Ja, meine Liebe, du musst jetzt sehr tapfer sein. Liv, du
bist mordsmäßig verliebt!«
»Quatsch,
in wen denn?« Liv wurde immer leiser, beide merkten es.
»Du wirst
schon wissen, in wen. Ich sage dir nur eins, die roten Rosen, die du pflücktest,
sagen mir, dass du von einer leidenschaftlichen Liebe erfüllt bist, die du im Sturm
nehmen möchtest. Allerdings klappt wohl alles nicht so richtig. Du hast etwas Liebeskummer,
denn warum sonst pikst du dich an den Dornen. Tut mir leid, Süße, aber Träume lügen
nicht. Hast du dir in deinem Wellness-Urlaub einen Kurschatten zugelegt?«
»Dag, hör
zu, es hat sich alles etwas anders entwickelt als geplant.« Liv sprach von dem Toten
zum Frühstück und von dem Kommissar. Dag wusste von Frank. Sie kannte ihn fast so,
als hätten sie selbst ein Verhältnis miteinander gehabt. In unzähligen Telefonaten
hatte Liv ihr Leid geklagt, als es mit der Beziehung zu Frank zu Ende ging.
»Mit deinem
Kommissar brockst du dir gerade etwas ein. Liv, das kann nichts werden«, mahnte
sie. »Hau sofort ab und komm her, baden kannst du auch zu Hause, und wir können
zusammen meine Low-Carb-Diät machen. Wenig Kohlenhydrate, kaum Fett, viel Eiweiß.
Bitte, Liv, sei froh, dass du über ihn hinweg bist. Komm schon. Mach nicht alles
noch schlimmer.«
»Du weißt,
ich kann nicht.«
Dag wusste
es.
»Dann möchte
ich dich treffen! Heute noch! Du hast die Wahl: erst Heinemann, dann Les Halles
oder erst Unbehaun, dann Uerige.«
Diese Angebote
konnte Liv nicht ablehnen, das wusste Dag. Das Café Heinemann am Kö-Carree mit seinen
Pralinenvariationen und abends das Club-Restaurant mit der tollen Atmosphäre am
alten Güterbahnhof waren ihre derzeitigen Favoriten. Aber nach der eislosen Saison
nun ein Eis von Unbehaun und danach ein Uerige Altbier, das überzeugte Liv heute
noch mehr.
»Schokoladeneis
mit selbst gemachter Sahne«, hauchte Liv ins Telefon. »Das kann nicht schaden. Au
ja, ich komme!«, versprach sie ihrer Freundin. »Ich hole dich ab. Aber erst am späten
Nachmittag – und nicht so lange. Ich muss ja schließlich arbeiten. Ciao, Dag, ich
muss jetzt los.«
»Ich auch«,
antwortete Dag. »Das Eis, das mir gerade in den Händen schmilzt, lasse ich dann
lieber sein, bis denn.«
Liv hatte
gerade ihr Pausengespräch mit dem Kellner verpasst, aber morgen war ja auch noch
ein Tag. Diese Diagnose vom unsäglichen Gedanken an eine unglückliche Liebe zum
Kommissar ging Liv auch auf dem Weg zurück ins Wellness-Center nicht aus dem Kopf.
18
Drei Frauen und zwei Männer befanden
sich mit Liv im Wellness-Center, noch war es recht ruhig.
Langsam
ging sie umher, vorbei an den Liegen und am Schwimmbecken, sie blickte die offene
natursteinerne Treppe hinab, wo es zu den Saunen ging und sich die Dusch- und Umkleideräume
befanden. Die verheulte Anuschka putzte mit langsamen Bewegungen die Duschen. Sie
sah elend und wenig arbeitsfähig aus.
›Eigentlich
müsste sie krankgeschrieben werden. Wer hat sie nur zur Arbeit getrieben?‹
Nach nur
kurzer Pause fing Anuschka wieder an zu heulen, hob aber trotzdem ihren bleischwer
scheinenden Arm hoch, um mit dem Lappen über die Kacheln in den Duschen zu wischen.
»Liv Oliver,
hast du Lust? Du bist dran, los geht’s!«
»Oh ja,
klar, ich war gerade gedanklich woanders.« Im Joggingschritt kam Bettina Liv entgegen,
Richtung Fitnessstudio.
»Langsam,
die Kräfte brauchst du noch«, mahnte sie grinsend.
Sie sah,
dass Liv Anuschka beobachtet hatte, und im Weitergehen sprach sie aus, was auch
Liv dachte: »Diese Frau kann einem fast leidtun. Warum wehrt sie sich nicht? Ist
sie zu weich?«
»Sie ist
abhängig und schwach«, antwortete Liv, als ob sie sie
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