Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
Zeitung zusammen und stand
auf. »Durch solch ein kleines Loch in der Zeitung sehe ich tief in die Abgründe
der menschlichen Seele.«
»Und was
sehen Sie?«, fragte Liv.
»Ich sehe
Machtbewusstsein, Ängste, Abhängigkeiten und viel Geld fließen.«
»Sehen Sie
dadurch auch Mörder?«
»In Bälde
wird sich auch der Mörder zeigen, nur Geduld.«
»Ich weiß
auch noch nicht viel mehr«, resümierte Liv kurz, »aber ich habe gleich einen Termin.
Wir sehen uns später.« Er setzte sich wieder, faltete seine Zeitung auf und ›las‹
weiter.
In einer Ecke des Foyers stand Frank,
der mit den Junioren sprach. Im Foyer trafen nun langsam Tagungsgäste ein, die es
zum Lunchbuffet zog. In kleinen Gruppen gingen sie, die eben vernommenen neuesten
Marketingstrategien oder Dialektik und Schuhauswahl des Seminarleiters diskutierend.
Frank nickte Liv zu. Mann, sah der gut aus! Er schaute sie nur kurz und nebenbei,
aber mit diesem durchdringenden Blick an, von dem er wusste, dass der sie früher
verwirrt hatte. Früher. Das war vorbei, oder? Liv schaute frech zurück und ließ
die drei links stehen. Sie hatte jetzt andere Ziele – ihr Zimmer.
›Glaub bloß
nicht, du könntest mich wieder einwickeln. Ohne dich, lieber Herr Kommissar, geht
es mir sehr gut.‹ Liv war insgesamt gesehen eher ein wenig labil, gestresst und
ausgelaugt. Ihr Beruf hatte ihr in den vergangenen Monaten besonders viel abgefordert.
Die Zeiten für freiberuflich tätige Journalisten waren nicht unbedingt rosig. Die
Anzeigenkunden sprangen den Zeitungen und Zeitschriften ab, was Einsparungen an
allen Ecken und Kanten zur Folge hatte. Bis jetzt konnte Liv sich noch gut über
Wasser halten, aber wer wusste, wie lange noch? Wer wusste, wann ihre aufwendige
Recherchearbeit durch oberflächliche Informationsabschöpfung am Telefon ersetzt
werden würde? Morde sind immer interessant, tröstete sich Liv stets und lenkte sich
ab. Sie schob diverse Gefühlsverwirrungen in puncto Frank nun vorerst in dieselbe
Ecke mit ab. Sie war sich nicht mehr sicher, was sie wirklich fühlte. Wie auch,
bei dem Durcheinander hier?
32
Es war wieder Zeit für Wellness,
Liv freute sich darauf. Schnell zog sie ihre bequeme Kleidung an und ging hinauf.
Diesmal war sie früher da und wartete auf die Kosmetikerin. Nicht lange, aber das
musste sie ja nicht wissen.
»Wir sind
heute leider nicht ganz im Zeitplan, Frau Oliver. Es sind die Umstände, Sie verstehen?«
Liv amüsierte sich immer wieder über diesen betont versteckten plattdeutschen Spracheinschlag.
Das ch konnte sie nur unter großer Kraftanstrengung belassen, meist aber wurde ein
sch daraus.
»Dass wir
nicht pünktlich sein können, soll aber nicht Ihr Schaden sein. Wir nehmen uns nun
ausreichend Zeit für Ihre Ganzkörper-Packung aus Rheinschlamm.«
Da war er
wieder, der authentische Rheinschlamm, dieses Mal für den Körper. Liv ließ es geschehen.
»Bitte legen
Sie Ihre Kleidung ab und begeben sich auf die Liege. Wenn Sie dieses hier anziehen
mögen, dann bleibt Ihre Kleidung von Naturschlamm-Flecken verschont«, sprach sie
und gab ihr ein kleines, in Plastik versiegeltes Paket.
»Eine Duschhaube?«,
fragte Liv, als sie das Teil aus der Tüte zog. Nein, Duschhauben waren wohl nicht
aus Papier. Es entpuppte sich als eine Art Unterhose. Ziemlich knapp, hoffentlich
reißt das nicht, dachte Liv noch, als es ›Krach‹ machte und ihre Oberschenkel und
ihr Hinterteil das Höschen sprengten.
»Haben Sie
vielleicht noch eine von diesen praktischen Papiertüten?«, fragte Liv, die Tür einen
Spalt öffnend. »Diesmal vielleicht ein oder, nein, besser drei Nummern größer?«
Kurze Zeit
später bekam sie ein größeres Plastik-Tütchen mit der Entschuldigung durchgereicht:
»Da habe ich mich wohl verschätzt. Probieren Sie mal diese Größe.« Es passte, wenn
es auch nicht bequem war, zwackte und nicht über den gesamten Po passte.
Wenn das
eine große Größe war, wieso passte Liv da nicht hinein? Auch die Bemerkung der Kosmetikerin
»Wir haben leider im Augenblick nur die kleinen Größen da« konnte die Schmach nicht
verringern. Liv fühlte sich von dieser Papierhose als unförmig und dick verhöhnt.
Lieber hätte sie einen Fleck in ihrer richtigen Unterwäsche erduldet, als die Erniedrigung
durch diese unverschämte Einweg-Hose. Nein, sie war nicht viel zu dick, diese Hose
war viel zu klein. Sie legte sich bäuchlings auf die Liege auf eine große Plastikfolie
und bedeckte mit Hilfe der Kosmetikerin den halb
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