Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
nicht. Klasse, so etwas stachelt den Ehrgeiz noch mehr an.‹
Gut war,
dass ihr der zweite Mord noch ein wenig mehr Zeit verschaffte, zumindest bis zum
Wochenende. Diese Zeit musste Liv nutzen. Sie legte sich gedanklich zwei Versionen
zurecht: Die eine sachlichere für den Fall, dass sie den Mörder bekam, die andere
sollte etwas reißerischer aufgemacht und formuliert sein, für den Fall, dass sie
den Mörder nicht bis zum Fixdatum liefern konnte. Eins war ihr aber klar: Egal,
welche Version, der Artikel würde der Knüller werden.
28
Ihr Blick schweifte vorbei an der
Hotelrückseite bis hin zum Liegeplatz vor dem Wellness-Bereich. An einem mit Schilf
umrankten Teich saß wieder die schwarze, langhaarige Katze. Sie pendelte langsam
mit dem Schwanz und starrte ins Wasser. Ob sie wartete, dass einer der Goldfische
ihr entgegen sprang? Wollte sie sich gar die Pfoten nass machen? Vielleicht tat
Liv der Katze Unrecht und sie schaute sich bloß ihr wunderschönes Spiegelbild an.
Als habe sie Livs Gedanken gelesen, drehte sie den Kopf direkt zu ihr. Ein Schauder
durchlief Livs Körper. Die bernsteinfarbenen runden Augen der Katze blitzten sie
an. Im selben Moment kam sie wieder hoch, die Erinnerung an den seltsamen Auftritt
der Kellnerin Susanne Weber eben in diesem kleinen, dunklen Gang.
›Gut‹, dachte
Liv, ›weiter geht’s.‹ Sie versuchte, ihre Gedanken erneut zu sortieren: ›Was war
geschehen? Ein alter Mann starb beim Frühstück in aller Öffentlichkeit. Den meisten
Menschen in seinem Umfeld kam dieser Tod ziemlich gelegen. Freunde hatte er sich
in seinem Leben nicht gemacht. Die Frauengeschichten sprachen Bände. Seine ebenfalls
von der überwiegenden Mehrheit ungeliebte Noch-Ehefrau, die hier alles übernehmen
wollte, stirbt kurz darauf an ihrem Geburtstag auf ziemlich hässliche Weise. Die
aktuelle Freundin des Toten sagte, sie wäre bei ihrer Mutter gewesen. Eine völlig
eingeschüchterte Zeugin widerspricht dieser Version. Die zwei Erben haben so gut
wie kein Alibi, umso stärker aber ein Motiv. Genau wie sämtliche Mitarbeiter, die
sich hier ihre eigenen Gesetze machen.‹ Das waren mehr oder weniger die Fakten.
›Hat die
Ehefrau ihren treulosen Ehemann ermordet? Hat daraufhin die Freundin die Ehefrau
aus Rache getötet oder töten lassen? Oder haben sich die Kinder ihres Vaters und
dessen Noch-Ehefrau entledigen wollen, um ihr Erbe zu sichern? Ist dann die Freundin,
die vielleicht auch Rechte am Hotel erworben hat, in Gefahr? Oder spielten die Mitarbeiter
ein mörderisches Spiel mit der Leitung des Hotels? Möglich war alles.‹
Liv drängte
es, mehr über die Todesursachen in Erfahrung zu bringen. Die Spurensicherung und
die Gerichtsmedizin sollten nun Ergebnisse haben, zumindest vom Tod des Seniors.
Sie machte sich auf die Suche nach ihrem Kommissar, er war bestimmt schon im Hotel
unterwegs.
29
Liv nahm einen beschilderten Weg
zum Foyer, vorbei an weiteren Hotelzimmern. Es war die Stunde der Zimmermädchen.
Die Zimmertüren standen offen, davor jeweils in Abständen mit Bettwäsche und Utensilien
bestückte Arbeitswagen. Liv vernahm ein Pfeifen. Eine junge Frau im hellblauen Kittel
stopfte gebrauchte Wäsche in einen Sack an ihrem Wagen und ging in ein Zimmer nebenan.
Mit einer zweiten Kollegin scherzte und kicherte sie über den Flur hinweg in ein
gegenüberliegendes Zimmer in einer portugiesisch klingenden Sprache. Erst als sie
Liv sah, hielt sie erschrocken die Hand vor den Mund, machte einen Knicks und grüßte
freundlich in gebrochenem Deutsch. Kaum war Liv um die Ecke und aus der Sicht, war
erneut ein lautes Gekicher zu hören. Es herrschte eine prima Stimmung im Todeshotel.
An der Rezeption
angelangt, schaute Liv, ob ihre heimliche Tippgeberin Susanne Weber zu finden war.
Wie würde sie reagieren, wenn Liv sie hier im offiziellen Bereich traf? Doch sie
war nirgends zu entdecken. Liv fragte nach dem Kommissar. Er war zuletzt im Foyer
gesehen worden.
In der Tat,
ganz hinten, am letzten der niedrigen Tische, saß er in einem breiten Sessel mit
Holzarmlehnen und einem Stoffbezug, den Liv mit Oma-Sesselstoff bezeichnete, mit
dem Rücken zum Eingang.
›Schlechter
Ausgangspunkt‹, dachte Liv. Denn nur sein Gegenüber, eine schon von Weitem attraktiv
wirkende Frau mit langen, orange-rot gesträhnten Haaren, konnte von ihrem Oma-Sessel
aus den Eingang des Hotels und den Zugang zum Tisch beobachten. Liv setzte sich
an einen Tisch in der Nähe, in der Hoffnung, mithören zu können.
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