Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
wäre das der
Renner. Ich zähle auf Sie. Wir bereiten den Artikel bereits in einer kleinen Ankündigung
für den Freitag vor. Aber die Polizei sagt oder weiß ja auch noch nicht viel. Also
bitte, Frau Oliver, zeigen Sie, dass Sie ein Profi sind. Lassen Sie uns nicht im
Stich.«
»Sie sind
lustig. Sie verlangen von mir, dass ich schneller und besser bin als ein ganzes
Polizeiteam. Das ist viel verlangt, schürt aber auch meinen Ehrgeiz. Sie kennen
mich, ich gebe mein Bestes. Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
Na prima,
den Riesenauftrag hatte Liv sicher. Egal, ob der Fall aufgeklärt werden würde oder
nicht, die Seite eins war für sie. Voller Elan schrieb sie weiter und machte sich
eine Liste der Fotos und der Statements, die noch fehlten. Von den neuen Chefs,
den Geschwistern Entrup, hatte sie weder das eine noch das andere. Das sollte sich
heute Abend ändern.
47
An der Rezeption sagte Liv etwas
zu früh Bescheid, dass sie auf die Geschwister Overbeck wartete und sich bis dahin
im Foyer aufhalten würde. Sie genoss es, ein paar Minuten einfach nur die Menschen
im Foyer zu beobachten.
»Ich hoffe,
Sie warten nicht zu lange, Frau Oliver. Ich war der Meinung, ich sei pünktlich.«
»Das sind
Sie, Herr Overbeck, gewiss.« Liv schaute auf die alte Standuhr im Foyer.
»Ich nutze
gern die Gelegenheit, um Menschen zu beobachten. Ich studiere mit Vorliebe ihr Verhalten,
besonders in außergewöhnlichen Situationen.«
»Das kommt
Ihnen in Ihrem Beruf sicher sehr zugute«, sagte Johann Overbeck, drehte sich zum
Gehen um und wies mit seiner rechten Hand stumm den Weg. Sie gingen nebeneinander
her. »Haben Sie diese Beobachtungsgabe von Ihren Eltern? Oder, anders gefragt, glauben
Sie, die Gene sind bestimmend für die menschliche Entwicklung oder eher die Umgebung?«
»Ein altes
Thema, sehr kontrovers diskutiert. Da streiten sich doch seit Jahrhunderten die
Gelehrten, oder?«, verzögerte Liv ihre Antwort. »Ich glaube, dass beides einen gewissen
Einfluss hat. Wogegen ich mich allerdings wehre, ist, dass Kinder ein Leben lang
unter ihren Eltern leiden sollten. Damit könnte ich mich nicht abfinden.«
»Jeder Mensch
entwickelt seine eigenen Methoden, sich abzugrenzen«, beendete Johann Overbeck das
Gespräch rechtzeitig, bevor sie im Restaurant angekommen waren und sie eine Mitarbeiterin
begrüßte. Johann Overbeck nickte der Servicekraft zu, die samt Speisekarte voranging,
vorbei an elegant in weiß eingedeckten Tischen, die bereits von zahlreichen Gästen
besetzt waren. An einem Tisch in einer Nische blieb sie stehen und wartete, bis
Johann Overbeck und Liv sich setzten. Dann händigte sie die Speisekarten aus und
fand im Kopfnicken und Blick ihres Vorgesetzten den Hinweis, sie alleine zu lassen.
»Aber sagen
Sie, Herr Overbeck«, fragte Liv, »wissen Sie über jeden Ihrer Gäste hier so gut
Bescheid wie über mich?«
»Ich hoffe,
Sie empfinden es nicht als aufdringlich.« Er verstand also Livs Bedenken. »Ich bemühe
mich, gewisse Informationen über die Hausgäste zu bekommen, um ihnen und ihren Wünschen
und Bedürfnissen eher gerecht werden zu können. Wie sonst könnten wir unseren Gästen
ihre Wünsche von den Lippen ablesen?« Er lachte.
Diesen Satz
hatte er nicht zum ersten Mal gesagt. »Und wie bekommen Sie diese Informationen?
Oder bin ich zu neugierig?«
Johann Overbeck
nahm die originell verdreht drapierte Serviette vom Tisch, schüttelte sie mit einer
kurzen Handbewegung auf, legte sie stumm grinsend auf seinen Schoß und beugte sich
nach vorn zu Liv: »Meistens, Frau Oliver, erzählen es uns die Gäste selbst. Wir
nehmen uns viel Zeit dafür.« Sein Blick wandte sich zum Gang. »Da kommt auch schon
meine Schwester.« Er stand höflich auf und rückte auch ihren Stuhl zurecht. »Maria,
schön, dass du pünktlich bist. Dann lasst uns doch zunächst die Speisen auswählen«,
drängte er. Er wollte keine Zeit verschwenden.
Die beiden
wussten auswendig, was ihr Begehr war. Liv nahm sich ostentativ viel Zeit. Weshalb
sollte sie Eile bei der Speisenauswahl vortäuschen?
»Wenn wir
Ihnen unsere Dorade in Safran empfehlen können? Sie ist einfach köstlich«, wollte
Maria Overbeck geschickt abkürzen.
»Danke,
ich entscheide mich heute für die überbackene Gemüsereispfanne. Und könnte ich vielleicht
etwas Senf dazu bekommen?« ›Jetzt extra‹, dachte sie.
Johann Overbeck
ignorierte Livs Geschmacksverirrung, ließ mit einem dezenten Fingerzeig den aufmerksamen
Kellner kommen und bestellte
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