Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
kaltem Gemüse ließ Liv links
liegen. In einer Warmhalte-Terrine versteckt fand sie Düsselwürmer, die sie sich
genehmigen wollte, eine Art Mettwürstchen. Kartoffelsalat und – wie schön, Livs
Lieblings-Accessoire – Löwensenf ›extra‹ rundeten ihr Mahl ab. Sie schloss dieses
Mittagessen mit einem Stück Tiramisu ab. Das musste sein. Zu gesund war Liv unheimlich.
Das herbsüße Kaffee-Kakao-Aroma schmeckte noch lange nach.
Als sie
den Büfett-Raum verließ, stellte sich ihr Johann Overbeck in den Weg. »Ist alles
zu Ihrer Zufriedenheit, Frau Oliver?«
Er hatte
einen guten Moment abgepasst, nach diesem deftigen Essen auf ausgehungerten Magen
konnte sie nur in den höchsten Tönen schwärmen. »Wunderbar, danke der Nachfrage.
Ich wollte gerade hinaus, einen kleinen Spaziergang machen. Ich erhole mich sehr
gut. Bis dato habe ich nichts auszusetzen, außer den zwei Toten.«
Liv fand
ihren Witz gelungen, Johann Overbeck lächelte aber nur gezwungen, während er sich
mit aufgerissenen Augen und einem die Entfernung zu den nächsten Gästen abschätzenden
Rundumblick schnell vergewisserte, dass das auch niemand anders gehört hatte.
»Ich kann
Sie und Ihr Haus ansonsten weiterempfehlen, Herr Overbeck.«
Sein Lächeln
entspannte sich nun, das Lob fruchtete ein Stück weit. Er freute sich tatsächlich
immer noch, wenn man sein Hotel lobte. »Frau Oliver, ich hoffe, Sie halten mich
nicht für aufdringlich, aber meine Schwester und ich würden uns freuen, Sie heute
Abend zu einem kleinen Abendessen einladen zu dürfen. Hätten Sie Lust und Zeit,
um sieben Uhr im Restaurant?«
»Ja, wie
komme ich zu dieser Ehre?«, wollte sie wissen. Insgeheim dachte sich Liv, dass die
beiden längst spitzbekommen hatten, dass sie die Geschehnisse in diesem Haus über
die Zeitung weit nach außen tragen würde. Klar, die zukünftigen Eigentümer wollten
Einfluss nehmen. Das erschien Liv legitim.
»Sehen Sie
es als Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten, die Sie wegen der Todesfälle in
unserer Familie hatten. Es ist für uns kein Geheimnis, dass Sie Ihren privaten Erholungsurlaub
aufgrund Ihres beruflichen Einsatzes und der Bekanntschaft mit dem Kommissar nicht
in Gänze genießen können. Deshalb möchten wir Ihnen ein kleines Extra zukommen lassen«,
sagte er, herausfordernd grinsend.
»Da müssten
Sie ja fast alle Gäste einladen.«
»Längst
nicht alle Gäste haben die Vorfälle mitbekommen. Aber ja, jeder, der sich über Unannehmlichkeiten
beschwert, bekommt eine kleine Entschädigung, das gehört zu unserem innovativen
Beschwerde-Management, auf das meine Schwester und ich ein wenig stolz sind.«
Bei dem
Wort innovativ spürte Liv sogleich den dahinter schwelenden Generationskonflikt,
der ja nun beseitigt schien.
»Ich nehme
die Einladung von Ihnen und Ihrer Schwester sehr gern an, aber erwarten Sie bitte
keine großen Neuigkeiten von mir. Was die Morde hier im Haus betrifft, wissen Sie
und Ihre Schwester sicher mehr als ich. Bis heute Abend.« ›Siehst du‹, dachte Liv,
›ich kann auch provozieren.‹
Grinsend
ging sie weiter, hinaus durch die Eingangspforte. Die frische Luft tat jetzt sehr
gut.
45
Bettina hatte ja bereits angedeutet,
dass hier alle über Liv Bescheid wussten. Also auch die Juniorchefs. Aber was genau
wollten die beiden von ihr? Glaubten sie, sie kämen so an Informationen heran, an
die Ermittlungsfakten des Kommissars? Oder hatten die beiden ihr etwas mitzuteilen?
Wollten sie Liv gar in ihre Schranken weisen? Wie auch immer, sie waren auf Liv
neugierig, das war klar. Sicher wollten sie ihre Rolle und Einstellung zum Fall
kennenlernen und erfahren, welche Folgen der Artikel für sie haben würde. Verständlich.
Liv nahm sich vor, sie auszuquetschen wie eine Zitrone.
An der Abzweigung
zum Weg hinunter Richtung Rosenbeet sah sie Karl von Schenck mit einer eingerollten
Zeitung in der Hand energisch winken. Solche ungeduldigen und ausladenden Bewegungen
kannte sie gar nicht von ihm. Es schien dringend zu sein. Sie lief zu ihm hin.
»Schnell!
Gut, dass Sie gerade da sind. Sehen Sie sich das an!«
»Was denn?«
»Dort unten,
an den Personaleingang ist gerade ein Lieferwagen herangefahren.«
»Ja, und?«,
fragte Liv noch ziemlich fantasielos.
Er zog Liv
am Arm, teilte seine Zeitung, legte sie auf die Bank am Rosenbeet und sie setzte
sich auf diese Unterlage neben ihn. »Das ist kein Gemüselieferant. Der Kastenwagen
zeigt nicht durch Aufschrift oder Werbung, woher er kommt, was er hier
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